Burg Angern
Die um 1340–1350 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Die Burg Angern um 1350: Architektur und Aufbau einer mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark. Die Burg Angern, errichtet um 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg, stellt ein herausragendes Beispiel für den Typus der mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark dar. Inmitten eines künstlich angelegten Wassergrabens erhoben sich die Hauptburg auf einer nördlichen Insel sowie der Bergfried auf einer südlichen Nebeninsel. Die hier dargestellte Rekonstruktion basiert auf archäologischen Restbefunden, historischen Quellen (Rep. H Angern Nr. 79; Dorfchronik Angern) und Vergleichen mit zeitgenössischen Anlagen wie Kalbe (Milde), Beetzendorf und Salzwedel.

Die Burg Angern zählt zu den am besten dokumentierten hochmittelalterlichen Wasserburgen Norddeutschlands. Ihre Geschichte, Besitzverhältnisse und baulichen Strukturen sind dank zahlreicher archivalischer Überlieferungen, Inventare und baulicher Reste außergewöhnlich gut belegt. Insbesondere die erhaltenen Gewölbe der Vorburg, die Fundamentreste des Turms sowie detaillierte Inventarverzeichnisse aus dem 18. Jahrhundert ermöglichen eine fundierte Rekonstruktion der Entwicklung der Anlage von der Errichtung im 14. Jahrhundert bis zu ihrem barocken Umbau.

Ihre topologische Entwicklung, die Strukturierung der Haupt- und Turminsel sowie die bewusste Trennung von Wohn- und Wehrbereichen spiegeln zentrale Prinzipien hochmittelalterlicher Wehrarchitektur wider. Ziel dieses Essays ist es, die räumliche Organisation der Burganlage um 1350 zu rekonstruieren, mögliche spätere Veränderungen, insbesondere durch den Umbau zum barocken Wasserschloss um 1745, zu berücksichtigen und Vergleiche zu regionalen Parallelbeispielen herzustellen.

Die Burg Angern gehört zu den am besten überlieferten hochmittelalterlichen Wasserburgen Norddeutschlands. Im Unterschied zu vielen vergleichbaren Anlagen wie Ziesar oder Lenzen ist hier nicht nur der Grundriss rekonstruierbar, sondern es sind ungewöhnlich viele originale Baustrukturen, funktionale Zusammenhänge und archäologische Befunde erhalten oder nachvollziehbar. Insbesondere die Turminsel der Burg Angern dokumentiert auf einzigartige Weise die hochmittelalterliche Konzeption einer autarken Verteidigungseinheit innerhalb eines wasserumwehrten Burgsystems. Zu den wichtigsten erhaltenen Elementen zählen der Wehrturm (Bergfried) mit seiner originalen Schießscharte auf der Nordseite, die noch heute bestehende Türöffnung im ersten Geschoss, die über die nördliche Tonne des angrenzenden Tonnengewölbekomplexes erreicht wird, sowie der funktional in die Gewölbestruktur integrierte Brunnen. Besonders bemerkenswert ist die vollständige Erhaltung der räumlichen Abfolge: von der Eingangsschleuse über die Wirtschaftsräume bis zum Zugang in das Turminnere. Diese Klarheit der bauarchäologischen Überlieferung ist bei vergleichbaren Burgen wie Ziesar oder Lenzen entweder nicht erhalten oder nur fragmentarisch erschließbar (vgl. Dehio Brandenburg 2000; Lütkens 2011). Die Zweiteilung der Tonnengewölbe, die klare Ausrichtung entlang funktionaler Bewegungsachsen (Ost-West für die Hauptachse, Nord-Süd für den Wirtschaftstrakt) sowie die strategische Integration der Belichtung und Belüftung über schmale Öffnungen zur Grabenrichtung belegen die hochentwickelte Planungslogik, die für eine Belagerungssituation optimiert war.

Ursprung und Grundstruktur im Hochmittelalter

Die hochmittelalterliche Burg Angern entstand vermutlich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, in einer Phase intensiven Burgenausbaus im mitteldeutschen Raum. Die Gesamtanlage gliederte sich in eine Hauptinsel mit dem Palas und eine separate, südlich vorgelagerte Turminsel mit dem Wehrturm. Beide Inseln waren durch Wassergräben klar voneinander getrennt und bildeten eigenständige funktionale Einheiten innerhalb des Gesamtburgsystems.

Die Hauptinsel hatte eine annähernd quadratische Grundfläche von etwa 35 × 35 Metern und war von einem breiten Wassergraben umgeben. Der dort errichtete Palas erstreckte sich entlang der Ostseite und nahm eine zentrale Position innerhalb der Hauptinsel ein. Die Turminsel lag unmittelbar südlich gegenüber der Hauptinsel und war ursprünglich vermutlich kleiner als heute, möglicherweise etwa 20 × 20 Meter groß. Der heutige Eindruck einer gleich großen zweiten Insel (35 × 35 Meter) könnte auf spätere Aufschüttungen und Erweiterungen im Zuge der barocken Umgestaltung um 1745 zurückzuführen sein (vgl. Gutsarchiv Angern, Rep. H 79).

Struktur der Hauptinsel

Die Hauptinsel beherbergte den noch begehbaren Palas, der als zweigeschossiger Bau mit Wirtschaftsgewölben im Erdgeschoss und Wohn- und Repräsentationsräumen im Obergeschoss rekonstruiert werden kann. Die Ostseite der Hauptinsel wurde durch die massive Bruchsteinmauer des Palas gesichert, die zugleich Teil der äußeren Befestigung war. Kleinere Nebengebäude oder Wirtschaftsbauten könnten sich auf der West- und Nordseite der Hauptinsel befunden haben, doch sind archäologische Belege dafür bislang nicht gesichert. Die Hauptinsel war über eine Holzbrücke oder einen schmalen Damm aus Richtung Norden erreichbar und diente als Zentrum der Verwaltung, Repräsentation und des alltäglichen Wirtschaftsbetriebs.

Die Hauptburg besaß eine nahezu quadratische Grundfläche von ca. 35 × 35 Metern. Errichtet wurde sie ausschließlich aus naturbelassenem Feldsteinmauerwerk, das in unregelmäßiger Lagerung verarbeitet war. Ziegel kamen erst nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges bei Reparaturen zum Einsatz.

Die Anlage war von einer massiven Ringmauer umschlossen, etwa 1,2 bis 1,5 Meter stark und bis zu 8-10 Meter hoch. Diese Ringmauer war in der Ostflucht durch den Baukörper des Palas verstärkt, dessen Rückwand zugleich als äußere Wehrmauer diente. Ein durchgehender hölzerner Wehrgang an der Innenseite der Mauern erlaubte den Verteidigern, die gesamte Burganlage zu sichern. Regelmäßig eingebrachte Schießscharten erweiterten die Verteidigungsfähigkeit. Vergleichbare Ringmauern sind bei Burgen wie Kalbe (Milde) belegt, wo die Feldsteinmauer etwa 1,2 bis 1,4 Meter stark war und einen hölzernen Wehrgang trug¹. Auch Beetzendorf und Seehausen zeigen entsprechende Mauerstärken und reine Feldsteinbauten ohne dekorative Elemente².

burg-angern-vogelperspektive

KI generierte Ansicht der Hauptburg der Burg Angern um 1350

Die West-, Nord- und Südseiten der Hauptburg waren durch die Feldstein-Ringmauer definiert, ergänzt um kleinere Fachwerk- oder Holzbauten, die vermutlich als Wirtschafts- und Lagergebäude dienten. Diese Bauweise ist für die Altmark des 14. Jahrhunderts vielfach nachgewiesen³.

Westseite:

  • Funktion: Reine Verteidigungsseite ohne größere Anbauten, Sicherung gegen Angriffe aus dem offenen Umland.
  • Bauweise: Massive Feldsteinmauer mit aufgesetztem hölzernem Wehrgang und Schießscharten.
  • Gebäude: Möglicherweise kleine hölzerne Schuppen oder offene Unterstände.
  • Besonderheit: Voll verteidigungsfähig, aber architektonisch schlicht gehalten.

Südseite:

  • Funktion: Trennung und Verbindung zur südlichen Insel mit dem Bergfried.
  • Bauweise: Feldsteinmauer mit Wehrgang; verstärkter Abschnitt an der Brückenanbindung.
  • Gebäude: Wahrscheinlich keine oder nur sehr kleine Anbauten.
  • Besonderheit: Ausgangspunkt der festen Zubrücke in das erste Obergeschoss des Bergfrieds.

Nordseite:

  • Funktion: Hauptzugang zur Burganlage.
  • Bauweise: Pforthaus aus Feldstein mit Fachwerkaufsatz, gesicherte hölzerne Zugbrücke.
  • Gebäude: Kleinere Wirtschafts- oder Wachgebäude denkbar.
  • Besonderheit: Besonders stark befestigter Torbereich mit schwerem Holztor und innerer Verriegelung.

Struktur der Turminsel

Die Turminsel war der militärische Rückzugsraum der Burg. Der Wehrturm mit etwa zehn mal zehn Metern Grundfläche und 7 Stockwerken und das daran angeschlossene Infrastrukturgebäude mit zwei Tonnengewölben bildeten ein autarkes Versorgungssystem aus Verteidigungsraum, Vorratslager und Brunnenversorgung. Die gesamte Insel war von einer einfachen Bruchsteinmauer umschlossen, die passiven Schutz bot, jedoch keinen Wehrgang oder Zinnen aufwies. Der Zugang zum Wehrturm erfolgte über eine Brücke oder einen Steg vom Palas her, wobei der Brückenkopf vermutlich im Bereich des ersten Obergeschosses lag, um einen unmittelbaren feindlichen Zugriff zu erschweren. Der Brunnen innerhalb der nördlichen Tonne sicherte die Wasserversorgung der Turmeinheit im Belagerungsfall. Kleinere hölzerne Wirtschaftsbauten könnten ebenfalls existiert haben, doch fehlen direkte archäologische Belege. Eine vermutete Zubrücke verband somit nicht nur den Palas mit dem befestigten Rückzugsraum des Wehrtrums, sondern stellte gemeinsam mit den Tonnengewölben ein zentrales Element der inneren Sicherheits- und Versorgungskonzeption der Gesamtanlage dar. Sie diente der Versorgung, Lagererschließung sowie als möglicher Rückzugsweg im Verteidigungsfall.

Spätere Veränderungen

Mit der Errichtung des barocken Wasserschlosses ab 1745 veränderte sich die Topologie der Burganlage erheblich. Der Wassergraben wurde teilweise verfüllt oder verengt, die Inseln verschmolzen im Geländeprofil, und das heutige Erscheinungsbild der Turminsel als großer rechteckiger Bereich von etwa 35 × 35 Metern geht vermutlich auf Aufschüttungsmaßnahmen während des barocken Umbaus zurück (vgl. 2022-09-24 - Publikation Angern).

Vergleichbare Anlagen

Ähnliche zweigeteilte Wasserburgen sind in der Region selten, jedoch existieren funktionale Parallelen:

  • Burg Ziesar (Brandenburg): Zweigeteilte Kernanlage mit Wohn- und Wehrbereich, getrennt durch Wasserläufe. Der Turm war ursprünglich nur über hochgelegte Brücken erreichbar (vgl. Dehio Brandenburg 2000, S. 11).
  • Burg Lenzen (Elbtalaue): Wasserumwehrte Kernburg mit zentralem Bergfried, klare Trennung zwischen Repräsentation und Verteidigung (vgl. Lütkens 2011).
  • Burg Beetzendorf (Altmarkkreis Salzwedel): Ähnliches Grundprinzip mit Palas und funktionalem Wehrbau, wenngleich hier die Verteidigungsfunktion schwächer ausgeprägt war (vgl. Bergner 1911). 

Angern unterscheidet sich durch die ungewöhnlich klare Insellösung und die starke funktionale Trennung, die ein frühes Beispiel für hochmittelalterliche Rationalisierung von Wehr- und Wohnbereichen bildet.

Fazit

Die Topologie der Burg Angern zeigt ein komplexes, durchdachtes System hochmittelalterlicher Wasserburgenarchitektur. Die bewusste Trennung von Hauptinsel (Palas und Wirtschaft) und Turminsel (Verteidigung und Überleben) spiegelt zentrale Aspekte der Wehrbautechnik des 14. Jahrhunderts. Die heutige Topographie wurde durch die barocke Umgestaltung im 18. Jahrhundert stark überprägt, doch lassen sich die Grundstrukturen der hochmittelalterlichen Anlage weiterhin präzise rekonstruieren. Angern stellt damit ein selten überliefertes Beispiel für ein vollständig funktionsgeteiltes, wasserumwehrtes Burgsystem der nördlichen Altmark dar.

Quellen

  • Gutsarchiv Angern, Rep. H 79
  • Website der Burg Angern: „Befunde der Turminsel“, https://www.angern.com/burg/351-befunde-der-turminsel
  • Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler – Brandenburg, München 2000.
  • Lütkens, Michael: Burgen in der Elbtalaue, Schwerin 2011.
  • Bergner, Wilhelm: Burgen und Schlösser der Altmark, Magdeburg 1911.
  • 2022-09-24 – Publikation Angern ohne Fotos.

 

 

Das Pforthaus und der Zugang

Der einzige Zugang zur Hauptburg erfolgte über ein kleines Pforthaus an der Nord-West-Seite. Auch dieser Bau bestand im unteren Bereich aus Feldstein und trug einen leichten Fachwerkaufsatz mit einem einfachen Schindeldach. Eine hölzerne Zugbrücke verband das Pforthaus mit der äußeren Brücke zur Vorburg. Das Tor selbst war wohl ein schweres hölzernes Flügeltor, gesichert durch eiserne Beschläge. Das Pforthaus war funktional ausgerichtet: eine kleinere Wachstube könnte darüber gelegen haben, jedoch ohne ausgeprägten Turmcharakter oder Repräsentationsanspruch. Vergleichbare einfache Pforthäuser existierten ebenfalls in Kalbe (Milde) und Beetzendorf.

 

Gesamtbewertung

Die Burg Angern vereinte typische Elemente einer Wasserburg des 14. Jahrhunderts: einen kompakten Grundriss, reine Feldsteinarchitektur, funktionale Verteidigungsanlagen und eine klare Trennung von Wohn- und Wirtschaftsbereichen. Ihre vergleichsweise schlichte Ausführung entsprach dem regionalen Baustil der Altmark und spiegelte die praktischen Erfordernisse eines niederen Adelsgeschlechts im Grenzraum zwischen Brandenburg und dem Erzbistum Magdeburg wider. Historische Quellen wie die "Dorfchronik Angern" sowie Parallelen zu Burg Beetzendorf, Kalbe (Milde) und Seehausen stützen diese Rekonstruktion.

Quellen

¹ Bergner, Heinrich: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wolmirstedt. Halle a. d. S., 1911.

² Danneil, Johann Friedrich: Das Geschlecht der von der Schulenburg. Erster und Zweiter Band. Salzwedel, 1847.

³ Denkmalverzeichnis Sachsen-Anhalt. Band 10.2 Ohrekreis (II): Altkreis Wolmirstedt. Hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt. Petersberg, 2001.

⁴ Puhle, Matthias: Burgen in Sachsen-Anhalt. 2. Auflage. Halle (Saale), 1998.

Im Nordosten der zweiten Insel erhob sich ein massiver, quadratischer Turm mit einer Grundfläche von 10 mal 10 Metern. Seine sieben Geschosse machten ihn zum dominanten Element der früheren Wehranlage. Die Höhenrekonstruktion des Bergfrieds der Burg Angern lässt sich auf Grundlage der bekannten Grundfläche von 10 × 10 Metern und der Überlieferung von sieben Stockwerken annähernd bestimmen. Typische hochmittelalterliche Bergfriede wiesen lichte Raumhöhen von etwa 3,0 bis 3,5 Metern auf, ergänzt um Decken- und Mauerstärken von circa 0,5 bis 0,7 Metern pro Geschoss. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Geschosshöhe von etwa 3,5 bis 4,0 Metern. Multipliziert mit sieben Etagen ergibt sich eine Turmhöhe von etwa 24,5 bis 28 Metern, zuzüglich der Höhenanteile für eine Wehrplatte, Brustwehr oder eventuelles Zeltdach. Somit dürfte der Bergfried von Angern eine Gesamthöhe von etwa 26 bis 30 Metern erreicht haben, vergleichbar mit anderen regionalen Anlagen wie dem Bergfried von Tangermünde oder Lenzen. Diese Rekonstruktion verdeutlicht die imposante Dominanz des Turmes innerhalb der Burganlage und seine zentrale Rolle im Verteidigungssystem. KI generierte Ansicht des Bergfrieds der Burg Angern ca. um 1600
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Die Burganlage von Angern in der heutigen Altmark (Sachsen-Anhalt) gehört zu den bedeutenden Wasserburgen der Altmark. Ihre Entwicklung lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen, als sie im Rahmen der hochmittelalterlichen Landesausbauprozesse errichtet wurde. Die Hauptburg entstand auf einer künstlich angelegten Insel innerhalb eines doppelten Wassergrabensystems. Von der ursprünglichen Anlage ist heute vor allem die Struktur des Geländes erhalten, während die bauliche Substanz größtenteils durch kriegerische Ereignisse wie die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1631) sowie durch barocke Umbauten im 18. Jahrhundert überformt wurde. Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg und verschiedene Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitz, Lehensrechte und lokale Macht. Die Gründung der Burg in Angern diente der Erzdiözese Magdeburg zur militärischen Sicherung und verwaltungstechnischen Kontrolle ihrer südaltmärkischen Besitzungen. Die Anlage einer Wasserburg mit Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz in einem territorial instabilen Raum.
Die Burg Angern befand sich in der nordöstlichen Altmark, etwa 5 Kilometer westlich der Elbe, in einer feuchten Niederungslandschaft, die durch zahlreiche Altarme, sumpfige Wiesen und temporäre Überflutungsflächen geprägt war. Die Wahl dieses Standorts war sowohl durch defensive als auch durch infrastrukturelle Überlegungen motiviert. Die Anlage nutzte die natürlichen Gegebenheiten der Landschaft, um durch Wassergräben, Inselbildung und kontrollierte Wegeführung ein hohes Maß an Wehrhaftigkeit zu erzielen. Zugleich ermöglichte die Lage zwischen Magdeburg, Tangermünde, Rogätz und Wolmirstedt die Einbindung in überregionale Verkehrs- und Kommunikationsnetze.
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Die Burg Angern stellt in ihrer Entwicklung vom hochmittelalterlichen Wehrbau über eine spätmittelalterliche Wasserburg bis hin zum schlichten Wiederaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg ein eindrucksvolles Beispiel für die Anpassungsfähigkeit adliger Sitzarchitektur in der Elbniederung dar. Die erhaltenen baulichen Reste – insbesondere das tonnengewölbte Kellermauerwerk, die Schießscharte und die Spolien grün glasierter Ofenkacheln – erlauben nicht nur Rückschlüsse auf die einstige Funktionalität und Wehrhaftigkeit der Anlage, sondern dokumentieren auch den Wandel vom defensiven Burggedanken hin zu einem zunehmend wirtschaftlich geprägten Gutsbetrieb im 17. Jahrhundert.
1735 ließ Christoph Daniel von der Schulenburg, ein General im Dienst des Königs von Sardinien, ein neues dreiflügeliges Schloss auf auf der 2. Insel erbauen, auf der sich auch der Turm befand. Dieses Gebäude wurde nach den Plänen des Magdeburger Landbaumeisters Fiedler gebaut, wobei zahlreiche Baufehler auftraten, die eine Fertigstellung verzögerten. Der Bau wurde schließlich unter der Aufsicht von Maurermeister Böse abgeschlossen. Von der ursprünglichen Burg auf der ersten Insel sowie dem Turm auf der zweiten Insel blieben Kellergewölbe erhalten, die heute zum Teil begehbar sind.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.