Die Vorburg der Burg Angern: Funktion, Bestand und Vergleich im Kontext hochmittelalterlicher Wasserburgen. Die Vorburg der Burg Angern stellt ein bislang wenig untersuchtes, jedoch baugeschichtlich bedeutendes Element der Gesamtanlage dar. Während der Kern der Burg mit Hauptburg und Wehrturm in ihrer strategischen Gliederung gut dokumentiert und teilweise erhalten ist, lässt sich die Vorburg bislang nur indirekt durch archivalische Quellen und funktionale Rückschlüsse erfassen. Dennoch ergibt sich aus der Kombination historischer Aussagen und typologischer Vergleiche ein klar konturiertes Bild ihrer ursprünglichen Funktion und Anlage.
Quellenlage und bauliche Hinweise Eine zentrale Quelle für den Zustand nach der Zerstörung der Burg im Dreißigjährigen Krieg bildet die Dorfchronik Angern. Dort heißt es um 1650:
"Außer dem mangelhaften Brauhause ohne den geringsten Inhalt und einem Dach- und Fachlosen Viehstall nur noch das Pforthäuschen stand." (Dorfchronik Angern, Gutsarchiv, um 1650).
Diese Aussage erlaubt es, die Existenz einer funktional genutzten Vorburgstruktur bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zu belegen. Sowohl das Brauhaus als auch der Viehstall und das Pforthäuschen sind typische Elemente einer ökonomisch genutzten Vorburg, die außerhalb der befestigten Kernanlage lagen. Das Pforthäuschen, das statt eines klassischen Torhauses den Zugang regelte, hebt sich dabei als einfachere, aber gezielt eingesetzte Zugangskontrolle ab.
Dass Christoph Daniel von der Schulenburg seine barocke Dreiflügelanlage im 18. Jahrhundert nicht auf den Grundmauern der mittelalterlichen Vorburg, sondern auf der Hauptburg errichten ließ, wird in der modernen Forschung klar betont. Die oft zitierte Angabe, der Neubau sei "vermutlich auf den Mauern der alten Vorburg" erfolgt, ist durch den Lageplan und die bauhistorische Analyse zu korrigieren: Die barocke Bebauung steht auf der Nordinsel – dem Kern der ehemaligen Hauptburg.
Funktion und Typologie: Die Funktion der Vorburg in Angern entsprach dem klassischen Typus hochmittelalterlicher Wasserburgen. Als vorgelagerter, häufig nur durch Graben oder Brücke verbundener Wirtschaftshof diente sie der Unterbringung von Stallungen, Lagerräumen, Gesindewohnungen, Brauhäusern und manchmal auch der Schmiede oder Backstube. Vergleichbare Vorburgen lassen sich bei den Burgen Beetzendorf und Letzlingen nachweisen, wobei dort – wie auch in Angern – ein funktionaler Gegensatz zur stark befestigten Kernburg bestand. In Beetzendorf ist dieser Bereich durch spätere Überprägungen kaum mehr erkennbar, in Angern hingegen zwar nicht mehr baulich erhalten, jedoch durch die schriftliche Überlieferung als funktionale Komponente der Vorburg eindeutig belegt.
Die Abwesenheit eines aufwendig gestalteten Torhauses in Angern verweist zudem auf eine eher pragmatische Verteidigungsstrategie, wie sie bei wirtschaftlich genutzten Niederungsburgen häufig anzutreffen ist. Auch dies spricht für eine eigenständige Vorburgzone, die nicht Teil des repräsentativen oder wehrhaften Kernbereichs war.
Bedeutung und Forschungsbedarf: Die Vorburg von Angern ist baugeschichtlich insofern bedeutsam, als sie trotz der weitgehenden Zerstörung der Gesamtanlage in Teilen überliefert ist und quellenmäßig präzise belegt werden kann. Ihr typologischer Aufbau entspricht dem überregional verbreiteten Muster funktionaler Peripherzonen hochmittelalterlicher Wasserburgen. Der besondere Quellenwert liegt in der klaren Trennung zwischen Kern- und Wirtschaftsbauten, wie sie nur selten so deutlich dokumentiert ist.
Eine archäologische Untersuchung der westlich vorgelagerten Zone – in der das Pforthäuschen, das Brauhaus und der Viehstall verortet waren – könnte Klarheit über Ausdehnung, bauliche Substanz und Nutzungsstruktur der Vorburg schaffen. Auch wäre die gezielte Einbeziehung von Vergleichsanlagen der Altmark (z. B. Beetzendorf, Tangeln, Apenburg) in eine systematische Untersuchung lohnenswert. Eine direkte Verbindung zwischen der Vorburg und der südlich gelegenen Turminsel ist für die hochmittelalterliche Phase nicht nachgewiesen, erscheint jedoch strategisch denkbar. Für die barocke Umgestaltung lässt sich eine solche Verbindung nicht belegen.
Quellen
- Dorfchronik Angern
- Alexander Graf von der Schulenburg / Klaus-Henning von Krosigk: Das Herrenhaus in Angern
- Heinrich Bergner: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wolmirstedt, Halle a. d. S., 1911.
- Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt I, München / Berlin 1990.
- Vergleichsanlagen: Burgen Beetzendorf, Letzlingen, Apenburg (typologische Einordnung nach Danneil 1847).