Das 18. Jahrhundert
Christoph Daniel von der Schulenburg kaufte 1735 das Rittergut Angern aus der Insolvenz, vereinigte die Güter, wandelte sie in einen Allodialbesitz um, stiftete 1762 ein Fideikommiss und prägte durch Wohlstand und Reformen die Entwicklung der Region nachhaltig.
1705: Spanischer Erbfolgekrieg

Während des Spanischen Erbfolgekriegs (1701–1714) wurde im Jahr 1705 ein Detachement des K.u.k. Böhmischen Dragoner-Regiments "Graf Paar" Nr. 2 zur Verteidigung der Burg in Angern abgestellt. Dieses Regiment, gegründet im Jahr 1672, war ein Teil der kaiserlich-habsburgischen Armee und galt als Eliteeinheit.

Die Burg in Angern spielte während dieser Zeit eine wichtige Rolle als strategischer Verteidigungspunkt in der Region. Der Spanische Erbfolgekrieg selbst war ein Konflikt um die Nachfolge auf den spanischen Thron, bei dem zahlreiche europäische Mächte, darunter das Haus Habsburg und das Haus Bourbon, gegeneinander antraten.

Die Stationierung war Teil einer strategischen Absicherung Mitteldeutschlands im Spanischen Erbfolgekrieg. Angern lag an einem wichtigen Übergangskorridor zwischen Elbe und Magdeburg und bot als befestigter Adelssitz logistische Infrastruktur. Die Maßnahme diente wahrscheinlich der regionalen Stabilisierung gegenüber schwedischen und kursächsischen Einflüssen.

1725: Die fiskalische Bestandsaufnahme

Schon im Jahr 1725 hatte Christoph Daniel von der Schulenburg den Fiscal Petrus Groschen mit einer Erhebung der Abgaben- und Dienstpflichten seiner Untertanen beauftragt. Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass das Dorf Angern zu dieser Zeit acht Halbspännerhöfe, neun ganze Kossaten, fünf halbe Kossaten, zehn sogenannte Freie und drei Neuansiedler umfasste. Auch aus dem benachbarten Wenddorf stammten mehrere untertänige Familien, nämlich zwei Ackerleute, zwei Halbspänner und acht Kossaten. Dieses soziale Gefüge zeigt ein differenziertes, aber ökonomisch fragiles System bäuerlicher Existenzen kurz vor der Übernahme des Guts durch Christoph Daniel im Zuge der Konsolidierung.

Die Erhebung von 1725 hatte dabei nicht nur fiskalischen Charakter, sondern diente auch der strategischen Vorbereitung eines Güterumbaus. Christoph Daniel, der erst kurz zuvor aus dem ausländischen Militärdienst zurückgekehrt war, begann offenbar frühzeitig mit der systematischen Durchdringung der lokalen Besitz- und Abhängigkeitsverhältnisse. Die Tatsache, dass Freie, Kossaten und Halbspänner im Einzelnen erfasst wurden, belegt das Ziel einer administrativen Neuordnung, die auf bessere Steuerbarkeit und Effizienz in der Gutsherrschaft abzielte.

Besonders auffällig ist die vergleichsweise hohe Zahl an „Freien“ – also Personen, die zwar keine vollen Bauernstellen besaßen, aber auch keiner unmittelbaren Frondienstpflicht unterlagen. Ihre genaue rechtliche Stellung ist unklar, könnte aber auf Ansiedlungen mit Sonderrechten oder ehemals freie Söldnerfamilien zurückgehen. Auch die drei als „Neuansiedler“ geführten Stellen deuten auf einen bewussten Versuch zur Binnenkolonisation durch Wiederbesiedlung verfallener Höfe oder gezielte Zuwanderung hin – möglicherweise im Kontext einer Wiederbelebung der örtlichen Wirtschaft nach der Pestzeit und mehreren Misserntejahren zu Beginn des Jahrhunderts.

Insgesamt zeigt die Quelle aus dem Jahr 1725, wie Christoph Daniel eine modernisierte Gutspolitik mit pragmatischer Kontrolle, Datenanalyse und schrittweisem Eingriff in überkommene Dorfstrukturen vorbereitete. Diese Maßnahmen leiteten eine Phase der Transformation von einem verschuldeten Lehnsverband zu einem fiskalisch durchorganisierten Gutsbetrieb ein, wie sie für den altmärkischen Adel des 18. Jahrhunderts zunehmend typisch wurde.

1734: Soziale Lage vor dem Konkurs

Nach dem Tod von Heinrich Hartwig von der Schulenburg im Jahr 1734 geriet das Gut Angern in eine schwere wirtschaftliche Krise. Die Zersplitterung der bäuerlichen Besitzverhältnisse, verbunden mit einer Reihe von Zahlungsausfällen, führte letztlich zur Zahlungsunfähigkeit und zur Verkaufsabsicht. Die ökonomische Grundlage des Guts war durch die geringe Größe vieler Höfe bereits langfristig geschwächt.

Die wirtschaftliche Notlage Angerns stand exemplarisch für viele Rittergüter der Altmark im frühen 18. Jahrhundert. Geringe Bodenqualität, kleinteilige Besitzverhältnisse und veraltete Bewirtschaftungsformen erschwerten eine nachhaltige Rentabilität. Die Landwirtschaft litt zudem unter Missernten und einer allgemeinen Preisstagnation. In dieser Situation konnten zahlreiche Untertanen ihre Abgaben und Frondienste nicht mehr vollständig leisten, was zu einer wachsenden Verschuldung und sozialen Verwerfungen führte.

Die von Groschen erstellte Diensttabelle war dabei nicht nur ein Instrument zur fiskalischen Kontrolle, sondern diente auch der strategischen Vorbereitung der wirtschaftlichen Neuausrichtung. Christoph Daniel von der Schulenburg, der bereits über andere Besitzungen verfügte, plante offenbar frühzeitig die Konsolidierung des Gutskomplexes in Angern. Mit dem Konkurs von 1734 schuf sich die Familie so die Grundlage, durch gezielten Rückerwerb und Strukturreform den Grundbesitz langfristig zu stabilisieren.

Im regionalen Vergleich wies Angern eine eher kleinteilige Sozialstruktur mit einem hohen Anteil kleiner Kossaten und Neuansiedler auf. In Nachbardörfern wie Rogätz, Kehnert oder Zielitz dominierten hingegen häufig größere Vollbauern oder Ackermänner, ergänzt durch verstärkt gewerblich tätige Schichten. Während solche Orte durch Elbhandel, Salzgewinnung oder Frühindustrien bereits vielfältigere Erwerbsstrukturen entwickelten, blieb Angern weitgehend agrarisch geprägt und stärker unter dem direkten Einfluss der Gutsherrschaft.

1735: Territoriale Konsolidierung und Schlossbau

Zwischen 1731 und 1734 sicherte sich Christoph Daniel von der Schulenburg, General der Infanterie in sardinischen Diensten, durch gezielte Ankäufe wesentliche Teile des Familienbesitzes in der Altmark. Den Anfang machten die Güter Wenddorf und Bülitz, die er von der Witwe und den Söhnen seines verstorbenen Bruders Matthias Daniel von der Schulenburg erwarb. Der Kaufpreis betrug laut familiärer Überlieferung 34.036 2/3 Reichstaler – eine beträchtliche Summe, die auf eine schrittweise Übernahme und Konsolidierung der Besitzrechte hindeutet.

Im Jahr 1738 folgte ein weiterer entscheidender Schritt: Um langjährige Besitz- und Grenzstreitigkeiten zu beenden, erwarb Christoph Daniel das Rittergut Angern-Vergunst samt dem Alt-Hansens-Teil von Generalmajor Adolf Friedrich Reichsgraf von der Schulenburg. Mit diesem Kauf, der auch die Dörfer Angern und Wenddorf umfasste, brachte Christoph Daniel die bis dahin zersplitterten Linienanteile der Familie wieder unter seine Kontrolle. Der vereinbarte Kaufpreis belief sich auf 50.000 Reichstaler, eine außergewöhnlich hohe Summe für die damalige Zeit.

Diese gezielten Erwerbungen dienten nicht nur der Vergrößerung des Landbesitzes, sondern auch der politischen und wirtschaftlichen Konsolidierung des Hauses Schulenburg. Bereits vor Abschluss des Vertrags von 1738 handelte Christoph Daniel in Teilen faktisch als Besitzer. Am 4. Juli 1738 ließ er durch den kaiserlichen Notar Adam Heinrich Bartels ein vollständiges Inventar des Gutes Angern-Vergunst anfertigen (Rep. H Angern Nr. 74) – ein Schritt, der der späteren Rechtsübernahme diente.

Im Jahr 1756 erwarb Christoph Daniel zusätzlich das Gut Krüssau, das jedoch später an einen anderen Familienzweig überging. Mit diesem Kauf versuchte er, die verbliebenen Güter der erweiterten Familie zeitweilig unter seiner Hand zu vereinen. Ziel war es, möglichst viele dieser Besitzungen aus der Lehnsbindung zu lösen und in Allodialbesitz zu überführen – also in freies Eigentum ohne feudale Abhängigkeit.

Parallel zu dieser Besitzpolitik investierte Christoph Daniel erheblich in die bauliche Entwicklung von Angern. Um 1738 ließ er neue Wirtschaftsgebäude errichten, das veraltete Wohnhaus abreißen und durch ein neues barockes Schloss in Form einer Dreiflügelanlage ersetzen. Dieses Schloss wurde zum architektonischen Mittelpunkt seiner Herrschaft und sollte nicht nur Wohnsitz, sondern auch Ausdruck seiner dynastischen Ambitionen sein. Die Bauarbeiten wurden bis 1740 weitgehend abgeschlossen.

1750: Soziale Struktur des Dorfes Angern

Um 1750 zählte das altmärkische Dorf Angern insgesamt 108 Feuerstellen, darunter Altenteilswohnungen und Nebengebäude (Gutsarchiv Angern REP H 444). Die Bevölkerung war sozial klar differenziert: An der Spitze stand ein Ackermann mit großem Hufenbesitz, gefolgt von 16 Halbspännern, 20 großen und 11 kleinen Kossaten sowie 20 Häuslern oder Büdnern. Diese Gruppen leisteten unterschiedlich abgestufte Frondienste für das adelige Haus Angern, dessen Besitzer – ein Angehöriger der Familie von der Schulenburg – zugleich das Patronatsrecht über die Dorfkirche innehatte.

Die landwirtschaftliche Nutzfläche war nicht exakt vermessen, wurde jedoch auf rund 80 Hufen bei den drei adeligen Gütern und 63 Hufen im Dorf geschätzt. Die Qualität des Bodens reichte von mittlerer bis niedriger Güte (3.–4. Klasse). Wiesen lagen meist in feuchten Niederungen, ein Maulbeergarten von ca. 1 Morgen belegt Sonderkulturen. Neben dem Pfarrland und der Schulfläche gab es gemeinschaftlich genutzte Holzungen.

Erstaunlich differenziert war das lokale Handwerk: Insgesamt 39 Handwerker – darunter 9 Zimmerleute, 9 Leinweber, 4 Schuster, 3 Maurer, 2 Schmiede, 2 Sattler, ein Chirurg, ein Schlösser, ein Pottaschebrenner und ein Scharfrichter – sorgten für eine weitgehende Selbstversorgung der Dorfbewohner. Drei Mahl- und zwei Ölmühlen deckten den Bedarf an Getreide- und Ölverarbeitung. Die Präsenz eines Contributions- und Akzise-Einnehmers verweist auf die fiskalische Eingliederung in das preußische Verwaltungssystem.

Die demografischen Daten aus den Jahren 1770 bis 1780 zeigen ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis von Geburten (375) und Todesfällen (373), was auf ein stabiles, aber stagnierendes Bevölkerungswachstum hindeutet – typisch für vorkapitalistische Agrarregionen mit begrenzter medizinischer Versorgung und hoher Kindersterblichkeit.

Angern war damit ein typisches märkisches Gutsdorf im 18. Jahrhundert, in dem bäuerliche Abhängigkeit, grundherrliche Kontrolle und handwerkliche Selbstständigkeit ein eng verflochtenes soziales Gefüge bildeten. Trotz feudaler Strukturen zeigen sich Ansätze einer funktional gegliederten und wirtschaftlich vielseitigen Dorfgemeinschaft.

1762: Vom General zum Gutsgründer

Nach dem Erwerb der zersplitterten Familienanteile vereinigte Christoph Daniel von der Schulenburg die beiden vormals getrennten Rittergüter in Angern – Angern-Vergunst und Alt-Hansens-Teil – zu einem konsolidierten Gesamtgut. Er verlagerte den landwirtschaftlichen Betrieb in den neu angelegten Schlosshof und strukturierte das Wirtschaftswesen neu. In seinem Testament von 1762 bestimmte er das Rittergut Angern als Fideikommiss und erließ eine detaillierte Sukzessionsordnung, die den ungeteilten Übergang des Besitzes in der männlichen Linie sicherstellen sollte. Nach seinem Tod im Jahr 1763 fiel das Gut testamentarisch an seinen Neffen Alexander Friedrich Christoph I. von der Schulenburg.

Alexander Friedrich Christoph, geboren 1720, machte eine bemerkenswerte militärische Karriere und wurde für seine Verdienste im Siebenjährigen Krieg von König Friedrich II. in den Grafenstand erhoben. In Angern setzte er die Reformpolitik seines Onkels fort: Er ließ die Wirtschaftsgebäude erweitern, führte verbesserte Fruchtfolgesysteme und Drainagemethoden ein und strukturierte das Dienstverhältnis der Untertanen neu. Unter seiner Leitung erlebte das Gut eine wirtschaftliche Blüte, die sich auch im Erhaltungszustand der Anlage über Generationen hinweg niederschlug. Seine Nachfahren konnten den Besitz durch kluge Verwaltung und Anpassung an agrarische Neuerungen bis ins 19. Jahrhundert behaupten.

In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut".

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