Burg Angern
Die um 1341 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Die Verteidigungsweise der Burg Angern im Dreißigjährigen Krieg: Möglichkeiten und Grenzen einer wasserumwehrten Anlage. Der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) stellte selbst befestigte Herrensitze vor neue Herausforderungen. Die Burg Angern, eine mittelalterliche Wasserburg mit separater Turminsel, war zu Beginn des 17. Jahrhunderts bereits stellenweise baulich überformt, jedoch in ihrer ursprünglichen Struktur weiterhin deutlich erkennbar. Möglicherweise wurden in dieser Phase erste Fensteröffnungen erweitert, Dächer angepasst oder Wohnräume an den gehobenen Komfortanspruch der Zeit angepasst. Wie bei vielen vergleichbaren Anlagen in der Altmark und im mitteldeutschen Raum setzte auch in Angern eine schrittweise Umwandlung vom rein wehrhaften Bau hin zu einem repräsentativen Adelssitz ein – ohne die charakteristische Inselstruktur der Burganlage vollständig aufzugeben.

Die bauliche Situation um 1618

Die Burg Angern verfügte zur Zeit des Kriegsbeginns noch über die Kernstruktur des 14. Jahrhunderts: Hauptburg auf einer Insel, Vorburg mit Wirtschaftshöfen und ein isolierter Bergfried auf einer eigenen Turminsel. Die Wassergräben waren vermutlich noch voll funktionsfähig und bildeten die erste Verteidigungslinie. In den Gebäuden befanden sich große Gewölbe, dicke Außenmauern und Schießscharten, die zwar für spätmittelalterliche Angriffe, nicht aber für frühneuzeitliche Belagerungstechniken optimiert waren. Artillerie war spätestens seit dem 16. Jahrhundert der Hauptgegner stationärer Burganlagen.

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Innenhof der Hauptburg Angern mit Palas und Bergfried

Typische Verteidigungsmittel

Für eine Burg wie Angern kamen im Dreißigjährigen Krieg insbesondere folgende Maßnahmen zur Anwendung:

  • Schließung aller Außentore und Brückenaufgänge durch Ziehbrücken oder massives Blockwerk,
  • Einlagerung von Vorräten in Tonnengewölben (Korn, Salz, Wein, Wasser),
  • Errichtung von Palisaden oder Vorwerken aus Holz auf der Vorburg oder im Umland,
  • militärische Nutzung des Bergfrieds als letzte Rückzugsmöglichkeit, ggf. mit kleinen Munitionsdepots,
  • stationäre Besetzung von Schießscharten, insbesondere an Engstellen wie Brückenzugängen,
  • Beobachtung und Signalgebung vom Wehrgeschoss des Turms aus.

In Belagerungssituationen war ein vollständiger Rückzug in die Hauptburg oder gar in den Bergfried denkbar – letzterer konnte durch seine isolierte Lage und geringe Zugänglichkeit eine gewisse Zeit lang unabhängig verteidigt werden.

Schwächen der Anlage

Trotz ihrer wasserumwehrten Struktur war die Burg Angern nicht gegen längere Belagerung durch erfahrene Truppen geschützt:

  • Ihre Außenmauern waren nicht artilleriefest.
  • Die Flächen innerhalb der Inseln waren zu klein, um ausreichend viele Verteidiger aufzunehmen.
  • Es fehlten moderne Bastionen, Ravelins oder Erdwälle, wie sie in zeitgenössischen Festungen üblich waren.
  • Die Waffenwirkung von Musketen und kleinen Kanonen überwand die Höhe und Dicke der mittelalterlichen Mauern rasch.

Zudem war die Burg strategisch isoliert und konnte nicht auf benachbarte Festungen zurückgreifen. Dies macht sie anfällig für schnelle Einnahme durch durchziehende Söldnertruppen.

Die Zerstörung 1631

Im Sommer 1631 wurde die Burg Angern im Zuge der militärischen Auseinandersetzungen im Magdeburger Raum schwer beschädigt. Es ist davon auszugehen, dass die kaiserlichen Truppen Angern als strategischen Vorposten nutzten, um die Wege zur Elbe und nach Magdeburg zu kontrollieren. Die schwedischen Einheiten führten gezielte nächtliche Überfälle durch, wobei sie die relativ ungeschützte Burgbesatzung überraschten und zum Rückzug zwangen.

Die Anlage selbst konnte einem koordinierten Angriff mit Musketen und Brandmitteln nicht standhalten. Wahrscheinlich wurde die Vorburg zuerst eingenommen, die Gebäude geplündert und in Brand gesetzt. Die Hauptburg wurde zumindest teilweise gehalten, fiel aber spätestens beim zweiten Angriff nach dem 17. Juli den Flammen zum Opfer. Die Turminsel hingegen dürfte, wenn überhaupt, nur kurzzeitig genutzt worden sein: Aufgrund ihrer isolierten Lage und geringen Größe bot sie keinen längerfristigen Schutz. Möglicherweise diente der Bergfried noch kurzfristig als Lager- oder Rückzugsort, konnte aber gegen den koordinierten Angriff und das anschließende Feuer keine strategische Funktion mehr erfüllen. Die schwedischen Angreifer gehörten zum Holkschen Regiment, das zu diesem Zeitpunkt unter schwedischem Kommando stand. Es griff die von einer Abteilung kaiserlicher Soldaten besetzte Burg an, schlug diese nach heftigem Gefecht zurück und verursachte durch anschließende Brandlegung schwere Zerstörungen. Überliefert ist, dass nach dem Angriff lediglich die stark beschädigte Brauerei, ein Viehstall ohne Dach und das Pforthäuschen erhalten blieben【Gutsarchiv Angern Rep H 79】.

Das Holksche Regiment – Reiterverband unter schwedischem Kommando

Das sogenannte Holksche Regiment war eine berüchtigte Reitereinheit unter dem Kommando des dänischen Adligen Heinrich von Holk (1599–1633), der nach seinem Dienst für König Christian IV. in schwedische Dienste wechselte. Holk war bekannt für seine brutale Kriegsführung und führte ab 1630 mehrere verheerende Feldzüge im mitteldeutschen Raum. Seine Kürassiere agierten als Stoßtruppen, die gezielt für Überfälle, Brandschatzung und schnelle Geländegewinne eingesetzt wurden. Angesichts der Lage Angerns südlich von Magdeburg und des dokumentierten Gefechts vom Juli 1631 ist es historisch plausibel, dass Einheiten seines Regiments den nächtlichen Angriff auf die kaiserlich besetzte Burg führten. Der schnelle Rückzug der Verteidiger und die anschließende Brandzerstörung der Anlage entsprechen der typischen Vorgehensweise Holkscher Reiterei im frühen Kriegsverlauf.

Die Motivation des Holkschen Regiments beim Angriff auf Angern war operativ-strategisch (Zerschlagung kaiserlicher Positionen), wirtschaftlich (Beutezug, Versorgung) und psychologisch (Abschreckung, Destabilisierung). Angern war ein militärisch schwacher, aber symbolisch und strategisch gelegener Zielpunkt. Die Zerstörung von Burg und Dorf diente damit gleichermaßen der operativen Kriegsführung wie der materiellen Selbsterhaltung des Trupps.

Zerstörung der Ringmauer – nicht durch Artillerie

Entgegen der Entwicklung in anderen Festungen wurde die hohe Ringmauer von Angern höchstwahrscheinlich nicht durch gezielten Artilleriebeschuss zerstört. Die Angriffe im Sommer 1631 erfolgten durch mobile Reiterverbände unter Führung des Holkschen Regiments, das für schnelle Überfälle und Brandlegungen bekannt war, nicht für langwierige Belagerungen mit schweren Geschützen. Weder in den überlieferten Quellen noch im archäologischen Befund finden sich Hinweise auf einen systematischen Kanonenbeschuss. Es ist wahrscheinlicher, dass die Ringmauer durch Feuer, einstürzende Aufbauten, strukturellen Verfall und spätere Materialentnahme im Laufe des 17. Jahrhunderts zerstört wurde. Bis zum barocken Umbau ab 1735 war von der aufragenden Mauerstruktur nichts mehr erhalten – lediglich Keller und Fundamentzonen blieben bestehen.

Fazit

Die Burg Angern war im Dreißigjährigen Krieg ein Relikt der spätmittelalterlichen Wehrarchitektur, das unter den Bedingungen frühneuzeitlicher Kriegsführung nur begrenzt verteidigungsfähig war. Ihre Stärke lag in der kurzfristigen Abschirmung und im Rückzug auf wasserumwehrte Inseln, nicht in der dauerhaften militärischen Auseinandersetzung. Die Geschichte ihrer Beschädigung zeigt exemplarisch, wie symbolisch aufgeladene Anlagen der Adelsrepräsentation in einer neuen Epoche an strategischer Bedeutung verloren – und durch Artillerie und Manöverkriegsführung überholt wurden.

Quellen

  • Publikation Angern (2022)
  • Rep. H Angern, Nr. 417
  • gv_archiv_inventar_rep_h_ 79.doc
  • Brülls/Könemann (2001): Denkmalverzeichnis Sachsen-Anhalt, Bd. 10.2
  • Press, V. (1991): Der Dreißigjährige Krieg
  • Zeune, J. (1994): Burgtypen in Mitteleuropa
  • Menzel, R. (2017): Burgen und Festungen der Frühen Neuzeit
Die Quellenlage und baulichen Befunde der Burg Angern: Rekonstruktion einer hochmittelalterlichen Wasserburg. Die Burg Angern in der Altmark stellt ein selten erforschtes Beispiel für eine hochmittelalterliche Wasserburg mit außergewöhnlich gut erhaltener Geländestruktur und greifbaren Bauspuren dar. Errichtet im 14. Jahrhundert unter dem Magdeburger Erzbistum, blieb ihre ursprüngliche Funktionsgliederung – bestehend aus Hauptburg, Vorburg und separater Turminsel – trotz späterer Zerstörungen und barocker Überformungen bis heute in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben sind. Die Umrisse der Gräben und die Insellage lassen sich im heutigen Gelände noch deutlich nachvollziehen und liefern eine seltene, anschauliche Grundlage für die topografische Rekonstruktion der spätmittelalterlichen Burgstruktur. Diese klare Dreigliederung – Wohnbereich, Wirtschaftsbereich und Wehrinsel – ist im norddeutschen Raum nur selten in solcher Klarheit überliefert. Das vorliegende Essay analysiert die archivalischen Quellen und baulichen Überreste und bewertet das Rekonstruktionspotenzial der Anlage im Vergleich mit regionalen Parallelbeispielen.
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg und verschiedene Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitz, Lehensrechte und lokale Macht. Die Gründung der Burg in Angern diente der Erzdiözese Magdeburg zur militärischen Sicherung und verwaltungstechnischen Kontrolle ihrer südaltmärkischen Besitzungen. Die Anlage einer Wasserburg mit Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz in einem territorial instabilen Raum. Hauptburg Angern mit Ringmauer und Wehrgang um 1350
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
1735 ließ Christoph Daniel von der Schulenburg, ein General im Dienst des Königs von Sardinien, ein neues dreiflügeliges Schloss auf auf der 2. Insel erbauen, auf der sich auch der Turm befand. Dieses Gebäude wurde nach den Plänen des Magdeburger Landbaumeisters Fiedler gebaut, wobei zahlreiche Baufehler auftraten, die eine Fertigstellung verzögerten. Der Bau wurde schließlich unter der Aufsicht von Maurermeister Böse abgeschlossen. Von der ursprünglichen Burg auf der ersten Insel sowie dem Turm auf der zweiten Insel blieben Kellergewölbe erhalten, die heute zum Teil begehbar sind.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1350 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik. Von der Vorburg zum Pforthäuschen
Die Burg Angern im Kontext des hochmittelalterlichen Burgenbaus in der Altmark und im mitteldeutschen Raum. Die hochmittelalterliche Burg Angern zählt zu den am besten bauarchäologisch überlieferten Niederungsburgen im norddeutschen Raum. Ihre topografische Besonderheit – die Trennung von Hauptburg und Wehrturm auf zwei künstlich angelegten Inseln – stellt ein herausragendes Beispiel für die strategische und funktionale Entwicklung von Wasserburgen im 14. Jahrhundert dar. Das vorliegende Essay untersucht die Stellung der Burg Angern im Vergleich zu regionalen Burgenbautypen und reflektiert Gemeinsamkeiten und Abweichungen im Hinblick auf Anlageform, Materialität, Verteidigungskonzept und architektonische Klarheit.
Die Burg Angern um 1350: Architektur und Aufbau einer mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark. Die Burg Angern, errichtet um 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg, stellt ein herausragendes Beispiel für den Typus der mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark dar. Inmitten eines künstlich angelegten Wassergrabens erhoben sich die Hauptburg auf einer nördlichen Insel sowie der Bergfried auf einer südlichen Nebeninsel. Die hier dargestellte Rekonstruktion basiert auf archäologischen Restbefunden, historischen Quellen (Rep. H Angern Nr. 79; Dorfchronik Angern) und Vergleichen mit zeitgenössischen Anlagen wie Kalbe (Milde), Beetzendorf und Salzwedel. Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern entstand 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg als klassische Niederungsburg auf zwei künstlich angelegten Inseln, geschützt durch ein umfassendes System von Wassergräben. Die räumliche Trennung von Hauptburg und Wehrturm auf zwei eigenständigen Inseln ist im hochmittelalterlichen Burgenbau Norddeutschlands bislang ohne bekannte Parallele dokumentiert. Der Zugang zur Hauptburg erfolgte über eine hölzerne Brücke, die zur möglicherweise westlich vorgelagerten Vorburg führte, welche ihrerseits Wirtschaftsfunktionen wie Stallungen, Lagerräume und Gesindewohnungen beherbergte sowie möglicherweise vom Wehrturm der südlichen Insel. Die Hauptinsel war quadratisch (ca. 35 × 35 m) angelegt. Ein eigenständiges Torhaus ist für Angern nicht nachweisbar; der Zugang wurde vielmehr nachweislich durch ein einfaches Pforthäuschen geregelt – eine Abweichung von der sonst verbreiteten Torhausarchitektur und ein Hinweis auf eine reduzierte, pragmatische Verteidigungsstrategie.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.