Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt.

Hans XII. von der Schulenburg († 1625), Sohn des Busso VI., gehört zu jenen Gliedern des Adelsgeschlechts von der Schulenburg, deren Leben exemplarisch für die Krisen und Konsolidierungsversuche niederadliger Gutsherrschaft im frühneuzeitlichen Brandenburg steht. Seine Biografie markiert eine Übergangsphase zwischen militärischer Karriere und ökonomischer Bedrängnis, zwischen adliger Repräsentation und realer finanzieller Überforderung.

Bereits zu Lebzeiten seines Vaters geriet das Gut Angern in finanzielle Schwierigkeiten. Der daraus resultierende Konkurs führte dazu, dass nach dem Tod von Busso VI. der Besitz in die Hände der Gläubiger überging. Hans XII., als ältester Sohn und Offizier, übernahm 1605 die Verantwortung: Er einigte sich mit den Gläubigern und erwarb das Gut für 23.350 Reichstaler 12 Groschen, wobei er Teile der Summe aus dem Vermögen seiner Ehefrau Lucia von Ditfurth aus dem Hause Wegeleben aufbrachte1.

Ein bemerkenswerter Beleg für Hans’ Rückerwerb des Guts findet sich in einer Urkunde vom 6. Dezember 1605. Darin erteilt das Domkapitel zu Magdeburg seinen offiziellen Consens zum Kaufabschluss, bei dem Hans XII. das zuvor an Gläubiger übertragene Gut Angern zurückerwarb6.  In besagtem Konsensschreiben wurde ausdrücklich festgehalten, dass weder Hans noch sein bereits verstorbener Bruder Franz (“Frantz seeliger”) etwas aus dem väterlichen Nachlass erhalten hätten. Die Konsenserteilung stand also unter dem Argument einer gerechten Nachfolge und wurde an verschiedene Bedingungen geknüpft. Insbesondere wurden die finanziellen Verpflichtungen gegenüber anderen Familienmitgliedern – konkret gegenüber den Kindern eines weiteren verstorbenen Bruders – berücksichtigt. Die Auflage umfasste u.a. die Rückzahlung von 1900 Reichstalern, die als Ausgleichszahlung in festen Raten bis 1610 zu leisten waren.

Der Titel Major, mit dem er in den Quellen gewöhnlich bezeichnet wird, verweist auf seine militärische Laufbahn, über deren Verlauf allerdings wenig bekannt ist. Es bleibt unklar, ob er seinen Dienst vollständig quittierte oder als Offizier weiterhin aktiv war. Auch über seine Amtsführung als Gutsbesitzer ist wenig überliefert. Bekannt ist lediglich, dass er 1613 einen wüsten Hof zu Gobbel, der zu Angern gehörte, an einen Adam Musaeus veräußerte – möglicherweise ein Zeichen für die weitere Liquidation nicht lebensnotwendiger Besitztümer2.

Nach dem Tod Hans’ XII. traten schwere Erbstreitigkeiten auf: Alle drei Söhne – Georg, Friedrich und ein weiterer namentlich genannter Sohn – verstarben in der Jugend. Damit fehlte es an männlichen Lehnserben, während seine Töchter lebten. Zwischen den weiblichen Nachkommen und der Lehnsfolge entstand ein heftiger Prozess über die Trennung des Allodialgutes vom Lehn, der erst 1667 abgeschlossen wurde6. Diese juristische Auseinandersetzung zeigt beispielhaft, wie dynastische Fragilität, fehlende männliche Erben und komplexes frühneuzeitliches Erbrecht ineinandergreifen und das Schicksal ganzer Adelsgüter bestimmten. Nach Abschluss des Verfahrens galt der ältere Zweig des Hauses Angern – die direkte Nachkommenschaft Busso VI. – als ausgestorben.

Aus der Ehe mit Lucia von Ditfurth gingen jedoch zahlreiche Kinder hervor – unter ihnen Catharina, die mit Hans Ernst von Borstel vermählt war, einem anhaltischen Rat und Hauptmann, der in anderen Überlieferungen auch als hessischer Geheimer Rat und Oberhofmeister in Kassel erscheint. Zwei weitere Töchter, Lucia Engel und Angelica, verbanden die Familie mit den Linien Borstel und Alvensleben3. Letztere starb 1698 in Neu-Gatersleben, wo sie als Witwe des Christian Ernst von Alvensleben lebte4.

Franz I. von der Schulenburg, Sohn von Busso VI. und Bruder von Hans XII., lebte auf dem Familiengut in Seggerde und wird in den Quellen nur am Rande erwähnt. Ein Konsens des Domkapitels Magdeburg aus den Jahren nach 1601 bestätigt, dass weder Franz noch Hans XII. nach dem Tod des Vaters Anteile am väterlichen Nachlass erhielten – ein Hinweis darauf, dass Franz bereits vor 1605 verstorben war. Er war mit einer von Keyserberg verheiratet und hatte zumindest einen Sohn, Franz II. Dieser wird in Lehnbriefen von 1614 und 1621 als Besitzer von Seggerde und Bekendorf genannt. Danach verliert sich seine Spur; weder in genealogischen Verzeichnissen noch in weiteren Urkunden taucht sein Name wieder auf. Es ist daher anzunehmen, dass Franz II. früh verstarb oder ohne männliche Nachkommen blieb, womit auch dieser Seitenzweig der Familie erlosch. Die Linie Franz’ stand stets im Schatten der Haupterblinie in Angern und konnte sich trotz Besitz eigener Güter nicht dauerhaft in der Familiengeschichte behaupten. Der Besitz und die familiäre Linie wurden später nicht durch Hans’ Bruder Franz I., sondern durch andere Linien des Geschlechts weitergeführt wurde5

Die Rolle von Hans XII. ist auch deshalb historisch bedeutsam, weil sie zeigt, wie fragil die Machtbasis selbst traditionsreicher Adelsfamilien im frühneuzeitlichen Brandenburg sein konnte. Finanzielle Schulden, politische Umbrüche und dynastische Zufälle – etwa der frühe Tod der Söhne – konnten die Grundlage adliger Herrschaft erschüttern. Hans XII. war dabei kein Einzelfall, sondern ein repräsentativer Typus des Gutsherrn im Übergang vom konfessionell geprägten Spätfeudalismus zur frühabsolutistischen Neuordnung.

Quellen

  1. Johann Friedrich Danneil: Geschichte des Geschlechts von der Schulenburg, Band II. Salzwedel 1847, S. 470–471.
  2. Ebd., S. 471, Verweis auf Urkunde im „Rothen Buch“.
  3. Ebd., S. 471–472.
  4. Wobdrück Alvensleben, Bd. 3, S. 169.
  5. Danneil, a. a. O., S. 472; zur Linie Franz I. auf Seggerde siehe Nr. 250–251.
  6. Johann Friedrich Danneil: Geschichte des Geschlechts von der Schulenburg, Band II. Salzwedel 1847, Nr. 27, S. 28–29.
Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.