Das Wasserschloss Angern blickt auf eine über 700-jährige Geschichte zurück und war Sitz des altmärkischen Uradelsgeschlechts von der Schulenburg – ein Ort politischer Macht, wirtschaftlicher Entwicklung und kultureller Repräsentation vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert.
Das Rittergut Angern: Kontinuität, Wandel und Enteignung eines schulenburgischen Familienbesitzes. Das Rittergut Angern in der Altmark, einem Teil des heutigen Sachsen-Anhalt, zählt zu den ältesten (fast) durchgehend von einer Familie bewirtschafteten Rittergütern Deutschlands. Es befindet sich seit 1448 im Besitz der Familie von der Schulenburg, einem weit verzweigten brandenburgisch-preußischen Adelsgeschlecht, das nicht nur durch militärische und politische Ämter hervortrat, sondern auch durch seine standesherrliche Besitzkultur. Über Jahrhunderte hinweg spiegelte sich in der Geschichte des Ritterguts die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung des deutschen Adels. Das Gut wurde im 18. Jahrhundert durch den sardinischen General Christoph Daniel von der Schulenburg zu einem Fideikommiss erhoben – einer juristischen Form, die den ungeteilten Erhalt des Familienbesitzes sichern sollte. Die Geschichte Angerns steht exemplarisch für adelige Herrschaftsstrukturen, deren Auflösung im 20. Jahrhundert mit der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone ihr jähes Ende fand.
Angern und Wenddorf, zwei im Kreis Wolmirstedt (heute Bördekreis) gehörige Dörfer, liegen unweit des Südrandes der Altmark. Die Dorfstätten erheben sich etwa 120 m über dem Meeresspiegel. Die Feldmarken sind von vielen Gräben durchzogen; Acker, Wiese, Wald wechseln in wohltuender Weise miteinander ab.
Die Gründung des Ortes Angern ist nicht durch schriftliche Zeugnisse belegt. Allerdings war die Gegend bereits in der Jungsteinzeit besiedelt, worauf zahlreiche Bodenfunde hinweisen. Erste Siedlungen in der Region wurden von den Angeln errichtet.
Angern, Dorf und Schloss, liegt etwa dreißig Kilometer nördlich von Magdeburg (Anfahrt) und findet in Urkunden erstmals im 14. Jahrhundert Erwähnung – es sei denn, das im Privilegium Kaiser Heinrichs IV. vom 1073 genannte Angern, das die Wormser von königlichen Zöllen befreite, wäre identisch mit diesem Ort. Historisch belegt ist jedoch das Auftreten von Mitgliedern der Familie von Angern, die sich nach diesem Ort benannten und in den Jahren 1160, 1217 und später urkundlich erwähnt werden. Dies dokumentiert das Bestehen des Ortes, der der Familie ihren Namen gab, auch wenn deren Besitz darin nicht mehr nachzuweisen ist.
Die Lehnshoheit über Angern, nach dem sich 1160 eine Ministerialenfamilie benannte, war zwischen den Markgrafen von Brandenburg und den Erzbischöfen von Magdeburg umstritten. So wird ein Theoderich von Angern erwähnt, der mit dem Markgrafen Albrecht dem Bären in die Altmark gekommen sein soll. Der Name eines Heinrich von Angern taucht um 1217 in den Urkunden des Klosters Hillersleben auf.
Im Jahr 1196 verkauften die Markgrafen Otto II. und Albrecht II. die Altmark und andere Erbgüter an den Erzbischof Ludolf von Magdeburg, der ihnen diese als Lehen zurückgab. Dieser Verkauf führte zu einem fast hundert Jahre andauernden Streit zwischen Brandenburg und Magdeburg, wobei auch Angern lange Teil der Streitmasse war.
Im Jahr 1336 verzichtete Markgraf Ludwig I. von Brandenburg auf mehrere Ortschaften, darunter Angern, das fortan nicht mehr zur brandenburgischen Altmark, sondern zum Erzbistum Magdeburg gehörte. Damit erneuerte der Erzbischof die Belehnung der Markgrafen mit den erzbischöflichen Gütern in der Altmark, wobei Wolmirstedt, Alvensleben, Rogätz, Angern und die Grafschaft Billingshoch ausdrücklich als Besitzungen des Erzstifts Magdeburg anerkannt wurden. Für den Erzbischof und seine Nachfolger gingen damit alle Ansprüche auf Angern und andere nördlich der Ohre gelegene Ortschaften an das Erzstift Magdeburg über. Dies stellt zugleich die erste urkundliche Erwähnung des Ortes Angern dar.
Zur Sicherung seiner Ansprüche ließ Erzbischof Otto von Magdeburg im Jahr 1341 eine Wasserburg auf einer vermutlich künstlich angelegten Insel errichten. Ob es sich um einen Neubau handelte oder eine bestehende Anlage erweitert wurde, ist unklar, da bereits 1336 eine Burg in Angern erwähnt wird.
Die Wasserburg wechselte mehrfach den Besitzer. 1343 gehörte sie Gerlof von Brunhorcz. Ab 1363 war Lüdecke von Grieben Lehnsherr, ein Vasall derer von Grieben, der ihren Namen annahm. Im Jahr 1370 wurden Lüdecke von Grieben und die Söhne des Ritters Jakob von Eichendorff mit Angern belehnt.
Ab 1373 war Ritter Gebhard von Alvensleben Lehnsherr, der durch Überfälle auf Magdeburger Kaufleute auffiel. 1382 belagerten Magdeburger Bürger die Burg und erzwangen ihren Verkauf für 400 Mark Silber. Nach längeren Streitigkeiten wurde die Burg am 1. August 1384 an Erzbischof Albrecht IV. übergeben.
Im 14. Jahrhundert befand sich die Altmark, eine historische Region im heutigen Sachsen-Anhalt, in einem Spannungsfeld zwischen verschiedenen Herrschaftsformen und territorialen Mächten. Zentral war die Auseinandersetzung zwischen den Markgrafen von Brandenburg und dem Erzbistum Magdeburg, die beide ihre Ansprüche und Einflussbereiche in dieser Grenzregion des Heiligen Römischen Reiches geltend machten.
Die Markgrafen von Brandenburg, eine bedeutende Territorialmacht im Nordosten Deutschlands, kontrollierten im frühen 14. Jahrhundert große Teile der Altmark. Gleichzeitig besaßen die Erzbischöfe von Magdeburg umfangreiche geistliche und weltliche Herrschaftsrechte in der Region, die sie kontinuierlich auszubauen suchten. Diese Konkurrenz führte zu politischen Verhandlungen, Besitzwechseln und oft auch zu Konflikten um die Kontrolle wichtiger Ortschaften und Burgen (vgl. Dehio 2002; Grimm 1958).
Ein bedeutender Wendepunkt war das Jahr 1336, als Markgraf Ludwig I. von Brandenburg auf mehrere Ortschaften, darunter Angern, verzichtete. Durch diesen Verzicht ging Angern formal an das Erzstift Magdeburg über, das damit seine territoriale Macht in der Altmark konsolidierte. Die Belehnung der Markgrafen mit erzbischöflichen Gütern wurde erneuert, jedoch mit der ausdrücklichen Anerkennung der Zugehörigkeit wichtiger Orte wie Angern, Wolmirstedt und Rogätz zum Erzbistum (Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 444).
Diese politischen Veränderungen spiegelten sich auch in der militärischen Infrastruktur wider. Um seine Ansprüche zu sichern und die Verwaltung zu stärken, ließ Erzbischof Otto von Magdeburg im Jahr 1341 eine Wasserburg in Angern errichten. Wasserburgen waren ein charakteristischer Typ von Niederungsburgen, die sich durch künstlich angelegte Inseln und umlaufende Wassergräben auszeichneten. Sie dienten als Verteidigungsanlagen, Verwaltungssitze und Symbole territorialer Macht (vgl. Zeune 1994; Wäscher 1962).
Die politische Konstellation und die daraus resultierende Bautätigkeit in Angern sind exemplarisch für die wechselvollen Machtverhältnisse im Nordosten des Heiligen Römischen Reiches im Spätmittelalter. Das Zusammenspiel von geistlicher und weltlicher Herrschaft prägte die Region nachhaltig und legte den Grundstein für die weitere Entwicklung der Altmark bis in die Frühe Neuzeit.
Die erste gesicherte urkundliche Erwähnung des Ortes Angern datiert auf das Jahr 1336 und ist eng mit einem bedeutenden territorialpolitischen Vorgang verbunden. In jenem Jahr verzichtete Markgraf Ludwig I. von Brandenburg auf mehrere Ortschaften, darunter Angern, die fortan nicht mehr zur brandenburgischen Altmark, sondern zum Erzbistum Magdeburg gehörten. Dieses Ereignis markiert nicht nur einen politischen Wendepunkt, sondern auch den Beginn einer neuen Herrschaftsphase für Angern innerhalb der erzbischöflichen Machtstruktur.
Mit dem Verzicht wurden die Rechte an Angern und anderen nördlich der Ohre gelegenen Orten offiziell dem Erzstift Magdeburg übertragen. Zugleich erneuerte der Erzbischof die Belehnung der Markgrafen mit den erzbischöflichen Gütern in der Altmark, wobei die genannten Ortschaften ausdrücklich als Besitzungen des Erzstifts anerkannt wurden (Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 444). Diese Vereinbarung führte zu einer klaren Abgrenzung der territorialen Zuständigkeiten und regelte die Verhältnisse zwischen geistlicher und weltlicher Obrigkeit.
Der Übergang bedeutete für Angern nicht nur eine administrative Neuordnung, sondern auch eine veränderte politische Einbindung. Das Erzstift Magdeburg war ein bedeutender geistlicher und weltlicher Machtfaktor im Heiligen Römischen Reich, der seine Herrschaft mit einem ausgeprägten Verwaltungs- und Wehrsystem sicherte. Die Integration Angerns in diese Struktur beeinflusste maßgeblich die weitere Entwicklung der Ortschaft und die Errichtung der späteren Wasserburg. Die Urkunde von 1336 stellt daher einen zentralen Ankerpunkt in der Geschichte Angerns dar, der den Ort erstmals in den überregionalen Machtkontext des 14. Jahrhunderts einbettet und Grundlage für spätere bauliche und politische Entwicklungen bildet.
Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 444: Verzichtsurkunde Ludwigs I. von Brandenburg und Belehnung durch das Erzstift Magdeburg
Dehio, Georg (2002): Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I. München/Berlin.
Grimm, Paul (1958): Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg. Berlin.
Zeune, Johannes (1994): Burgtypen in Mitteleuropa.
Wäscher, Hermann (1962): Feudalburgen in den Bezirken Halle und Magdeburg, Bd. 1. Berlin.
Die Urkunden der nächsten Zeit nennen nur Pfandinhaber von Angern: 1392 und 1403 die von Rengerslage, 1411 Sander von Hermersdorf und 1424 Dieter von Zerbst.
Am 19. März 1424 gelangten der kurfürstliche Rat und Hauptmann der Altmark Bernhard (IV) von der Schulenburg sowie sein Bruder Werner in den Pfandbesitz der Burg Angern, die der Erzbischof Günther von Magdeburg ihnen und Dieter von Zerbst für 400 Rheinische Gulden verpfändete.
Anno 1448 erwarben die drei Söhne Busso, Bernhard und Matthias des Stammvaters der "weißen Linie", Fritz (I) von der Schulenburg, die Burg Angern für 400 Rheinische Gulden und 60 alte Schock Groschen von Albrecht von Zerbst. Sie erhielten durch Lehnbrief des Erzbischofs Friedrich von Magdeburg das Recht auf männliche Erbfolge. Diese Brüder sind die Stammväter der weißen Linie des Schulenburg'schen Geschlechts: Busso für den älteren, Bernhard für den mittleren und Matthias für den jüngeren Ast.
Jede der drei Linien besaß ursprünglich einen eigenen Gutsanteil: Der ältere Ast übernahm mit Busso die Vergunst, einen Rittersitz außerhalb des Dorfes; der mittlere und der jüngere Ast teilten sich die Burg und hatten jeweils getrennte Gutshöfe.
Der Streit zwischen den Erzbistümern Brandenburg und Magdeburg wurde am 12. November 1449 im Zinnaischen Vergleich beigelegt. Dabei fiel Angern endgültig an das Erzstift Magdeburg, das 1680 als Herzogtum Magdeburg an Brandenburg überging und 1816 Teil der preußischen Provinz Sachsen wurde.
Seit 1448 gehörten die Dörfer Angern (mit Ortsteil Vergunst) und Wenddorf sowie die wüsten Feldmarken Kastel, Palnitz und Mackedal, später auch Bülitz und Hörsicht, zum Rittergut. Zeitweise wurden auch die Güter Kehnert, Hohenwarsleben, Schricke, Farsleben, Detzel, Ramstedt und Ìtz von Angern aus verwaltet.
Bis zur ersten lutherischen Kirchenvisitation von 1562 bis 1564 wurde Angern kaum erwähnt, meist nur im Zusammenhang mit der Burg. Ab 1558 finden sich erste Aufzeichnungen über das Dorf, das zu jener Zeit 56 Familien zählte.
Anno 1567 wird das Lehen auf die weiße Linie des Geschlechts als Fideikommiss übertragen, was bedeutet, dass der Besitz auch nach dem Tod des Lehnsinhabers in der Familie verbleibt und nicht an den Erzbischof zurückfällt. Fortan wurden in Angern drei Güter geführt: 'Alt Hansens Teil', Gut Vergunst sowie der Burghof. Die drei Brüder vererbten ihre Güter jeweils an ihre erstgeborenen männlichen Nachkommen.
Busso (ältere Linie) erhält das Gut Vergunst. Der mittlere und jüngere Zweig teilen sich die Burg, besitzen jedoch getrennte Gutshöfe.
Bernhard (mittlere Linie) erhält den alten Hof neben der Kirche. Der Urenkel von Busso I - Busso VI. (1550-1601) - verarmte völlig und geriet in Konkurs, sein Anteil wurde von seinen Gläubigern in Besitz genommen. Erst sein Sohn Hans XII. konnte den Besitz 1602 zurückkaufen. Daher rührt der Name ,Alt Hansens Teil'.
Matthias (jüngere Linie) erhält den Burghof. Vererbt wird er jeweils an den erstgeborenen männlichen Nachkommen. Diese sind Bernhard (XI) (1470-1500), Matthias (III) (1506-1542) und Frh. Daniel (1538-1594).
Ab anno 1515 ist er im Besitz von Jakob II von der Schulenburg. Durch den Kriegsdienst hatte Jakob ein großes Vermögen erworben, es gelang ihm aber nicht, seinen Erben ein weiteres Gut zu sichern. Er vergrößerte daher 1561 den Anteil seiner Linie an Angern durch Kauf der Hälfte des Anteils der mittleren Linie von Christoph III (Nr. 170).
Nach Frh. Daniel übernimmt Henning (III) (1587-1637) den Burghof und hat die Gräuel des 30 jährigen Krieges in hohem Maße zu tragen. Angern gerät 1631 zwischen die Fronten der kaiserlichen Truppen unter General Tilly und der schwedischen Armee. Eine Abteilung seiner Soldaten hatte die Burg in Angern besetzt, wurde jedoch nach kurzem aber heftigem Gefecht in die Flucht geschlagen. Bei dem anschließenden Brand des Dorfes kommt auch die Burg zu Schaden. Einige Jahre hindurch befindet sich keine lebende Seele am Ort. Wegen Mangels an Menschen ist an Ackerbestellung nicht zu denken. Trotzdem wohnt der Gutsherr Henning (III) mit seiner Familie bis zu seinem Tode weiterhin in Angern und nimmt auch noch die große Familie seines Bruders Matthias bei sich auf, als dieser vor den kaiserlichen Soldaten und der Pest aus Altenhausen fliehen muss.