Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt.

Erbkauf statt Erbgang – Der Vertrag von 1734 über das Rittergut Angern und seine familiären, rechtlichen und ökonomischen Implikationen. Der Erwerb des Ritterguts Angern durch Christoph Daniel von der Schulenburg im Jahr 1734/35 stellt ein paradigmatisches Beispiel für adlige Besitzsicherung im Spannungsfeld von Erbfolge, Schuldenkrise und familiärer Kontinuität dar. Der "unwiderrufliche Erbkaufkontrakt", der diesen Übergang regelte, erlaubt tiefe Einblicke in rechtliche Instrumente, familiäre Strategien und die Bedeutung verwandtschaftlich gestützter Kreditverhältnisse im Adelsmilieu des 18. Jahrhunderts.

Ausgangslage: Tod und Überschuldung

Am 17. Juni 1734 verstarb der Rittergutsbesitzer Heinrich Hartwig von der Schulenburg. Er hinterließ seine Witwe Catharina Sophia, geborene von Tresckow, sowie fünf Kinder:

"4 Söhne, als 1. den Königlich Sardinischen Major Herrn Heinrich Hartwig von der Schulenburg, 2. den gewesenen Königlich Sardinischen Hauptmann Herrn Levin Friedrich von der Schulenburg, 3. den Königlich Preußischen Leutnant Herrn Christoph Daniel von der Schulenburg und 4. den minderjährigen Alexander Christoph Friedrich von der Schulenburg, wie auch eine Tochter Fräulein Anna Catharina Augusta von der Schulenburg".

Das Rittergut war jedoch mit einer hohen Schuldenlast belegt:

"[...] dasselbe mit einer großen Schuldenlast sich beschwert befunden, so daß es unmöglich gewesen, solches einem oder dem anderen derer Herren Söhne zu conserviren, sondern vielmehr zur Alienation es unumbgänglich hätte kommen müssen".

Ein regulärer Erbgang im Sinne von Aufteilung oder Weiterführung durch einzelne Nachkommen war somit ausgeschlossen. Die Witwe sowie die Erben befanden sich in einer kritischen Lage, in der eine Veräußerung an Dritte drohte.

Intervention durch den Bruder: Besitzsicherung durch Erbkauf

Um den drohenden Verlust des Familienbesitzes abzuwenden, trat Christoph Daniel von der Schulenburg, Generalfeldmarschall-Lieutenant in sardinischen Diensten und Bruder des Verstorbenen, als Käufer auf:

"Gleichwohl des defuncti Bruder, der Königlich Sardinische Herr General Feldmarschall Lieutenant Christoph Daniel von der Schulenburg, als nächster Agnatis, das Lehn- und Rittergut Angern bei der Schulenburgschen Familie zu conserviren intentioniret gewesen, und zu keiner Alienation in extraneum es kommen lassen wollen."

Diese familiäre Intervention entsprach dem Ideal adliger Besitzkontinuität. Im Hintergrund standen nicht nur affektive Bindungen, sondern auch lehnsrechtliche Erwägungen, da fremde Erwerber das Lehnverhältnis hätten gefährden können. Der neue Erwerber sollte ein agnatischer Verwandter sein, um die Lehnfähigkeit des Guts zu wahren.

"[...] mithin auf bittliches Ansuchen der Herren Söhne sich endlich resolvirt hat, solcher käuflich anzunehmen, als ist zuvorderst um den wahren Wert zu determiniren, darüber ein Anschlag gefertigt, [...]"

Ein solcher Anschlag (Schätzung) war üblich, um den Vertragsparteien eine objektive Bewertungsgrundlage zu liefern. Erst darauf folgte die vertragliche Regelung des Erbkaufs.

Rechtliche Konstruktion: Erbkauf statt regulärer Teilung

Im Mittelpunkt steht die Entscheidung für einen "Erbkauf", also die einvernehmliche Übertragung gegen Zahlung an die Miterben:

"[...] nach vorweislicher Überlegung zwischen vorgenannten Schulenburgschen Herren Söhnen und resp. deren Herrn Gevollmächtigten [...] und des Herrn General Feldmarschall Lieutenant Christoph Daniel von der Schulenburg Exzellenz als Käufer an anderem Teil nachfolgender unwiderruflicher Erbkaufkontrakt abgehandelt, geschlossen und vollzogen worden."

Diese Vertragsform war juristisch ein Übergang zwischen Erbschaft und Kauf: Die übrigen Erben verzichteten auf ihre Ansprüche gegen Zahlung eines bestimmten Betrags. Zugleich verhinderte man eine Zerschlagung des Guts.

"[...] dergestalt, daß das gesamte Rittergut Angern sammt Zugehör, wie solches bey der Schätzung vorgestellet worden, an Seine Exzellenz Herrn General Feldmarschall Lieutenant Christoph Daniel von der Schulenburg auf einmal, ungetheilt und auf immerändige Zeit übergeben und abgetreten werde."

Der Mandatar: Joachim Arndt von Tresckow

Eine zentrale Rolle übernahm Joachim Arndt von Tresckow als bevollmächtigter Vertreter ("mandatarius") für den abwesenden Sohn Major Heinrich Hartwig von der Schulenburg. Tresckow war ein Verwandter der Witwe (geb. von Tresckow) und agierte nicht nur juristisch, sondern auch wirtschaftlich:

"[...] und resp. deren Herrn Gevollmächtigten als Herr Joachim Arndt von Tresckow mandatarius des Herrn abwesenden Majors Heinrich Hartwig von der Schulenburg [...]."

Darüber hinaus findet sich in der Zahlungsliste eine weitere bemerkenswerte Notiz:

"[...] erscheint Tresckow auch als Kreditgeber, mit zwei 'Assignationen' à 100 Talern." (Rep. H Angern Nr. 409, Bl. 10)

Seine Rolle ist somit hybrid: rechtlicher Repräsentant, familiärer Vermittler und finanzieller Unterstützer. Diese Verbindung von Standesnähe und Kreditleistung verdeutlicht die sozial eingebettete Ökonomie adliger Familien. Vermutlich handelte es sich um formlose Darlehen, verbunden mit einer moralischen Erwartung auf Rückzahlung im Sinne des familialen Zusammenhalts.

Genealogische Relevanz und Besitzstrategie

Der Ausschluss des Sohnes Levin Friedrich vom Besitz wird explizit erwähnt:

"[...] außer dem Herrn Hauptmann Levin Friedrich, welcher davon nicht participirt [...]"

Ob dieser Ausschluss auf eigene Verschuldung, Spannungen oder andere Gründe zurückging, bleibt offen. Klar ist, dass eine strategische Konzentration des Besitzes angestrebt wurde:

"[...] damit solches Gut in einer Hand bleibe, und durch zertrennende Theilung nicht an Werth und Ansehen verliere [...]"

Der neue Besitzer Christoph Daniel leitete kurz nach dem Kauf erste Baumaßnahmen ein (ab 1738), die später in die barocke Neugestaltung des Schlosses mündeten. Der Erbkauf ermöglichte ihm eine klare, konsolidierte Eigentumslage, die Voraussetzung für repräsentative Investitionen war. Aus dem Erbkaufvertrag von 1734/35 und den begleitenden archivalischen Quellen lassen sich zahlreiche weitere Aspekte ableiten, die über das reine Besitzverhältnis hinaus wichtige Rückschlüsse auf soziale, wirtschaftliche, rechtliche und genealogische Kontexte erlauben. Hier einige zusätzliche Feststellungen, geordnet nach Themenbereichen:

Lehnrechtlicher Rahmen und Agnatenpräferenz

Der Vertrag reflektiert deutlich die fortbestehende Wirksamkeit des Lehnrechts in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Formulierung „nächster Agnatis“ verweist auf die bis dahin geltende Praxis, Lehnsgüter innerhalb der männlichen Linie (Agnaten) zu halten. Eine Veräußerung an einen Dritten außerhalb der Familie – etwa an bürgerliche Gläubiger oder fremde Adlige – hätte das Lehnverhältnis rechtlich gefährdet. Daher war es notwendig, dass der Käufer ein männlicher Verwandter in gerader Linie war. Dies erklärt auch die Formulierung:

„[...] zu keiner Alienation in extraneum es kommen lassen wollen [...]“.

Diese Agnatenpräferenz diente nicht nur der Erhaltung des Rechtsstatus des Guts, sondern war Ausdruck eines dynastischen Denkens, das Besitz nicht als individuelles Eigentum, sondern als kollektives Familienvermögen verstand, das von Generation zu Generation „unversehrt“ weitergegeben werden sollte.

Familiäre Schuldenlage und wirtschaftliche Krise

Die wiederholte Betonung der "großen Schuldenlast" deutet darauf hin, dass sich das Rittergut Angern in einem Zustand fortgeschrittener wirtschaftlicher Krise befand. Diese Situation war vermutlich nicht erst mit dem Tod Heinrich Hartwigs eingetreten, sondern Ausdruck eines längerfristigen strukturellen Verschuldungsprozesses, wie er im 18. Jahrhundert bei zahlreichen Adelsfamilien infolge von Kriegskosten, Erbteilungen, rückläufigen Naturalerträgen und zunehmendem Konsumdruck zu beobachten ist. Die Formulierung:

„[...] so daß es unmöglich gewesen, solches einem oder dem anderen derer Herren Söhne zu conserviren […]“

macht deutlich, dass keine der Erbenlinien – selbst die militärisch etablierten Söhne – über ausreichende liquide Mittel oder Kreditwürdigkeit verfügten, um das Gut im Familienbesitz zu halten. Diese Lage führte zur paradoxen Situation, dass nur durch einen vollständigen Verkauf an einen außenstehenden, aber agnatisch berechtigten Verwandten – Christoph Daniel – die Familie das Gut überhaupt erhalten konnte.

Daraus lässt sich ablesen, dass innerhalb der Familie kein generationenübergreifendes Finanzierungskonzept bestand, um Gutsbetriebe in Notzeiten zu stützen. Vielmehr war man auf individuelle Initiativen einzelner Familienmitglieder angewiesen – wie in diesem Fall auf Christoph Daniel, dessen Dienst in sardinischen Militärdiensten vermutlich Zugang zu barer Liquidität oder adeligen Kreditzirkeln im Ausland verschafft hatte. Diese Konstellation belegt exemplarisch die prekäre Finanzlage vieler ländlicher Adelsgüter im deutschsprachigen Raum während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Strategische Besitzkonzentration 

Es wird ausdrücklich nicht eine gleichmäßige Verteilung der Güter angestrebt, sondern eine bewusste Zentralisierung des Besitzes. Dies zeigt ein modernes ökonomisches Denken innerhalb des Adels, bei dem langfristige Erhaltung des Guts Vorrang vor familiärer Gleichbehandlung hat.

Rechtsbegriff des „Erbkaufs“ in der Zeit

Der im Vertrag von 1734 verwendete Begriff des „Erbkaufs“ (lat. emptio hereditatis) bezeichnet eine rechtsförmige Alternative zur regulären Erbteilung, bei der einzelne Erben ihre potenziellen Ansprüche zugunsten eines anderen Familienmitglieds gegen eine festgelegte Zahlung abtreten. Im Gegensatz zur unentgeltlichen Erbfolge handelt es sich beim Erbkauf um einen pflichtigen Erwerb mit kompensatorischem Charakter.

Im Fall Angern liegt eine besonders formalisierte Variante dieses Instruments vor. Die Vertragsparteien legten den Wert des Guts durch einen detaillierten Anschlag fest, auf dessen Basis Zahlungen an die verzichtenden Erben (mit Ausnahme Levin Friedrichs) zu leisten waren. Der Vorgang war damit juristisch bindend, wirtschaftlich kalkuliert und moralisch sanktioniert – ein typischer Ausdruck frühneuzeitlicher Erbregelung unter Beachtung der Familienkohärenz. Der Erbkauf ist juristisch vom Vorkaufrecht (Präemtion) und der Ganzenhandgemeinschaft (Indivision) zu unterscheiden. Er setzt voraus:

  • das Einverständnis aller Verzichtenden (bzw. ihrer Mandatare),
  • eine notariell oder schriftlich fixierte Kontraktform,
  • ggf. die Genehmigung des Landesherrn bei Lehngütern.

In Brandenburg-Preußen war der Erbkauf kein kodifiziertes Rechtsinstitut, wurde jedoch in Adelskreisen vielfach praktiziert – insbesondere um eine Zersplitterung des Grundbesitzes zu vermeiden. Er diente damit der Konzentration von Herrschaft und war zugleich ein Ausdruck des patriarchalischen Besitzdenkens: Die Familie als ökonomische Einheit sollte erhalten bleiben, auch unter Inkaufnahme ökonomischer Kompensation.

Der Angerner Fall ist exemplarisch für diese Praxis. Die hohe formale Ausgestaltung mit Anschlag, Mandatarien und vollzogener Kaufhandlung weist auf eine Verrechtlichung adliger Erbpolitik im Übergang zur aufgeklärten Gutsverwaltung hin. Der Vertrag selbst fungierte zugleich als Testamentssurrogat, Vergleichsakte und Investitionsgrundlage.

Ausschluss eines Sohnes (Levin Friedrich)

Der Ausschluss des Sohnes Levin Friedrich vom Besitz wird explizit erwähnt:

"[...] außer dem Herrn Hauptmann Levin Friedrich, welcher davon nicht participirt [...]"

Dieser Satz verdient besondere Aufmerksamkeit, da er eine bewusste Ausnahme markiert. Levin Friedrich war offenbar im Gegensatz zu seinen Brüdern nicht am Erbkauf beteiligt – ein Ausschluss, der nicht näher begründet wird, aber mehrere mögliche Ursachen haben kann.

Zum einen könnten persönliche oder charakterliche Gründe eine Rolle gespielt haben. Es ist in adligen Familien nicht unüblich, dass ein Sohn von der Nachfolge ausgeschlossen wurde, wenn sein Lebenswandel oder seine Verbindlichkeiten als schädlich für das Ansehen oder die finanzielle Zukunft des Hauses galten. Auch Verschuldung oder familiäre Konflikte sind denkbar, zumal die Formulierung "welcher davon nicht participirt" neutral, aber deutlich exklusiv gehalten ist.

Zum anderen könnte Levin Friedrich bereits vorab abgefunden worden sein – beispielsweise durch eine Ausstattung bei Heirat, ein Offizierspatent oder durch andere Besitzübertragungen außerhalb des Guts Angern. In diesem Fall hätte man auf eine weitere Beteiligung verzichtet, um eine Überkompensation zu vermeiden. Möglich wäre auch, dass er auf seinen Anteil freiwillig verzichtete, etwa aus Loyalität oder aufgrund anderweitiger Versorgung.

Schließlich ist auch ein strategisches Moment zu berücksichtigen: Der Ausschluss könnte Teil eines Plans gewesen sein, die Zahl der Anspruchsberechtigten künstlich zu reduzieren, um die Besitzkonzentration auf eine kleinere Gruppe zu erleichtern und das Gut in seiner wirtschaftlichen Einheit zu erhalten.

In jedem Fall zeigt die Konstruktion dieses Vertrags, dass Besitz nicht automatisch linear aufgeteilt wurde, sondern dass innerhalb der Familie bewusste Priorisierungen und Ausgrenzungen getroffen wurden – sei es aus praktischer, rechtlicher oder politischer Notwendigkeit.

Frauen und Erbfolge

Rolle der Witwe und Tochter: Die Erbauseinandersetzung um das Rittergut Angern im Jahr 1734 dokumentiert exemplarisch die Position von Frauen in adligen Erbverträgen des 18. Jahrhunderts. Die Witwe Catharina Sophia von der Schulenburg, geborene von Tresckow, wird zwar im einleitenden Teil des Vertrags genannt, erscheint aber nicht als Mitunterzeichnerin, Miterbin oder Vertragspartnerin. Ebenso wird die Tochter Anna Catharina Augusta von der Schulenburg nur beiläufig erwähnt. Beide sind von der eigentlichen Vermögensübertragung rechtlich ausgeschlossen.

Diese Marginalisierung entspricht der damaligen agnatischen Erbfolgepraxis, bei der der Besitz primär innerhalb der männlichen Linie weitergegeben wurde. Frauen hatten formal nur Anspruch auf Versorgung (z. B. Leibgedinge) oder Mitgift, nicht jedoch auf Substanzbeteiligung an Lehen oder Rittergütern. In anderen Quellen werden regelmäßige Zahlungen an Witwe erwähnt sowie ein Wohnrecht auf Angern-Vergunst, das jedoch offenbar von Christoph Daniel nicht eingelöst wurde. Statt dessen wird erwähnt, dass sie Witwe (temporär) zu ihrem Sohn Levin-Friedrich nach Burgscheidungen gezogen ist. Auch die Finanzierung der Ausbildung von Alexander Friedrich Christoph als Nachfolger von Christoph Daniel wird in anderen Quellen erwähnt. 

Rolle von Standesnetzwerken und Kredit

Verwandtschaftlich gestütztes Kreditwesen im Adelsmilieu: Die Rolle von Joachim Arndt von Tresckow als sowohl rechtlicher Vertreter als auch finanzieller Unterstützer dokumentiert eindrücklich, wie eng Kreditverhältnisse, Standesethos und familiäre Solidarität im 18. Jahrhundert miteinander verflochten waren. In einer Zeit, in der adlige Gutsbesitzer oftmals kaum Zugang zu formellen Kapitalmärkten oder städtischen Geldgebern hatten – oder diese bewusst mieden, um Statusverlust zu vermeiden –, wurden finanzielle Engpässe bevorzugt durch informelle Netzwerke innerhalb des Adels überbrückt. 

Die Erwähnung von zwei „Assignationen“ à 100 Talern im Jahr 1734 (Rep. H Angern Nr. 409, Bl. 10) zeigt, dass Tresckow in erheblichem Umfang Mittel bereitstellte – nicht über notarielle Schuldverschreibungen oder Zinspapiere, sondern offenbar im Vertrauen auf seine Rolle als Verwandter und Standesgenosse. Solche Darlehen funktionierten nach dem Prinzip der standesinternen Ehre: Wer einen adligen Kredit vergab, erwartete nicht zwingend juristische Sicherheiten, sondern moralische Rückzahlung durch Statusgleichheit und Verlässlichkeit.

Tresckows Handeln lässt sich dabei als Ausdruck eines typischen Modells adliger Selbsthilfe interpretieren. Sein Engagement überstieg die Pflichten eines bloßen „mandatarius“ deutlich – er wurde zum aktiven Ermöglicher des Gutsübergangs, zum stillen Garanten für die wirtschaftliche Abwicklung des Erbkaufs. In einer modernen Analyse könnte man von einer „embedded finance“ innerhalb familialer Netzwerke sprechen.

Diese Praxis zeigt zugleich die Grenze zwischen Verwandtschaftsbindung und ökonomischem Kalkül auf: Wer Mittel in die Hand nahm, trug familiär Verantwortung – erwartete aber zumindest langfristig sozialen oder politischen Rückfluss, etwa durch Heiratsverbindungen, Patronage oder Mitspracherechte. In diesem Sinne war Tresckows Rolle im Angerner Fall keineswegs altruistisch, sondern Teil einer komplexen Prestigelogik adliger Kooperationsbeziehungen.

Bedeutung für den späteren Ausbau von Schloss Angern

Der Erwerb durch Christoph Daniel bildet die Grundlage für den barocken Ausbau ab 1738. Ohne diese vertraglich klar geregelte Eigentumsübertragung wären Repräsentationsinvestitionen, etwa die barocke Ausstattung (vgl. Inventar von 1752) oder bauliche Veränderungen, nicht möglich gewesen. Der Vertrag ist somit nicht nur familiäre Notmaßnahme, sondern Startpunkt einer neuen Linie und eines neuen Besitzstils.

Juristische und diplomatische Sprache

Der Wortlaut des Erbkaufkontrakts folgt klaren Mustern frühneuzeitlicher Vertragssprache, wie sie in adligen Erb- und Besitzregelungen des 18. Jahrhunderts üblich war. Der Text verwendet eine Vielzahl typischer Kanzleiformeln, die einerseits auf die Praxis der adligen Familienkanzleien verweisen, andererseits aber auch Elemente des römischen Rechts integrieren, das zu dieser Zeit in der brandenburg-preußischen Verwaltung zunehmend rezipiert wurde. Besonders auffällig ist der Gebrauch von Begriffen wie:

  • Exzellenz“ (für den Käufer Christoph Daniel): Ausdruck des diplomatischen Rangs
  • unwiderruflicher Erbkaufkontrakt“: klare juristische Bezeichnung für einen Vertrag, der einerseits final ist, andererseits nicht als bloße Erbfolge, sondern als rechtlicher Erwerb zu behandeln ist
  • alienation in extraneum“: klassisch-lateinische Formel zur Bezeichnung einer Übertragung an einen Außenstehenden, die als unerwünscht galt
  • nächster Agnatis“: Terminus aus dem Lehnrecht zur Bezeichnung des ranghöchsten männlichen Verwandten in direkter Linie
  • auf immerändige Zeit“: idiomatischer Ausdruck für einen ewigen Besitzübergang
  • anschlagen“ (statt: bewerten): übernommener Kanzleibegriff für die förmliche Wertfeststellung

Diese Sprache folgt dem Duktus der zeitgenössischen Diplome, Lehnbriefe und Testamente. Sie ist nicht nur juristisch präzise, sondern dient auch der sozialen Selbstvergewisserung der Beteiligten. Wer solche Begriffe korrekt verwendet, zeigt Zugehörigkeit zum gebildeten Stand. Ferner ist die Satzstruktur deutlich parataktisch aufgebaut, mit langen Hauptsätzen und stark verschachtelten Nebensatzkonstruktionen. Dies entspricht dem Stil barocker Verwaltungsschriftlichkeit und hebt den Text in seiner Form deutlich von schlichten bürgerlichen Kaufverträgen ab. Stilistisch bemerkenswert ist zudem, dass selbst sensible Sachverhalte – wie etwa die Schuldenlast oder der Ausschluss eines Erben – in einer neutralen, beinahe beschönigenden Sprache behandelt werden. Dies spricht für eine gezielte sozio-rhetorische Mäßigung, die familiäre Konflikte nicht offen thematisiert, sondern in formelhaften Wendungen (z. B. „welcher davon nicht participirt“) einbettet.

Insgesamt ist die Sprache des Vertrags ein Spiegel der juristischen Professionalisierung des Adels im 18. Jahrhundert, die zunehmend auf schriftlich fixierte, ritualisierte und kodifizierte Regelungen setzte. Der Text ist damit nicht nur Mittel zur Besitzübertragung, sondern auch Ausdruck eines standesgemäßen Selbstverständnisses, das sich in Wortwahl, Syntax und Terminologie manifestiert.

Wirtschaftliche Bewertungsmethodik und Anschlagspraxis

Der im Jahr 1734 angefertigte Anschlag des Ritterguts Angern stellt eine der detailliertesten erhaltenen wirtschaftlichen Zustandsbeschreibungen eines altmärkischen Rittergutes im 18. Jahrhundert dar. Die Bewertung ist nicht schematisch, sondern folgt einem differenzierten Schema ökonomischer Erträge, Natural- und Geldleistungen sowie Besitzrechte. Die zugrunde gelegten Zahlen beruhen auf regional üblichen Markpreisen pro Scheffel, Wispel oder Stück Vieh und bieten ein realistisches Bild der jährlichen Einnahmeerwartungen. Die Anschlagsliste umfasst:

  • Aussaat- und Erntekalkulationen: Weizen (450 Taler), Roggen (3060 Taler), Gerste (2400 Taler), Hafer (720 Taler), Wiesen- und Wiesentracht (1600 Taler)
  • Viehnutzung: 45 melkende Kühe (1800 Taler), kleinere Rinder (1000 Taler), Schafvieh (1600 Taler)
  • Gerechtsame: Braugerechtigkeit inkl. Schweinenutzung (2500 Taler), Patronatsrecht, Jagden, Gerichtsbarkeit
  • Gebäude und Teiche: Gebäude (2000 Taler), Kuhteich, großer Teich, zwei kleine Teiche und Hausgraben (800 Taler)
  • Natural- und Geldabgaben der Untertanen: über 3500 Taler an Kornpächten, Geldrenten, Federzinsen

Ein besonderes methodisches Element ist die multiperspektivische Viehschätzung. Drei Taxatoren bewerteten unabhängig voneinander alle Tiere – von den Kutschpferden über Milchkühe bis zu Schweinen – und ermittelten Mittelwerte. Dieses Verfahren zeigt einen frühen Versuch objektiver Wertermittlung und wurde offenbar eingeführt, um potenziellen Streit zwischen den Erben vorzubeugen. So wird z. B. eine schwarze Stute von den Taxatoren mit 36, 48 und 45 Talern angesetzt – der Mittelwert ergibt 43 Taler. 

Darüber hinaus differenziert der Anschlag nach sozialen Kategorien der Dienstpflichtigen:

  • 7 Halbspänner à 12 Taler = 1680 Taler
  • 5 Kossaten à 8 Taler = 800 Taler
  • 13 kleine Kossaten à 4 Taler = 1020 Taler
  • 7 Freie à 4 Taler = 560 Taler
  • 22 Vorhöfer à 4 Taler = 1760 Taler

Diese detaillierte Sozialtypologie der bäuerlichen Bevölkerung wurde in den monetären Ertrag des Gutes integriert und zeigt, dass die Dienstleistung von Untertanen nicht nur als politische oder obrigkeitliche Ressource, sondern als ökonomisches Kapital gerechnet wurde.

Die Ertragskalkulation aus Angern steht damit am Übergang von der ständisch-agrarischen zur kapitalisierbaren Gutswirtschaft. Sie dient nicht nur der internen Orientierung, sondern war Grundlage für die Berechnung der Zahlungen an die Erbverzichter – eine juristische wie wirtschaftliche Notwendigkeit im Rahmen des Erbkaufs.

Relevanz der „pertinentia“: Herrschaftliche Rechte als Kapitalfaktor

Der Begriff „pertinentia“ (lat. Zubehör, Zugehörung) umfasst im frühneuzeitlichen Kontext sämtliche mit dem Rittergut verbundenen Nutzungs-, Rechts- und Herrschaftsansprüche. Im Erbkaufvertrag von 1734 wird das Rittergut Angern explizit „cum pertinentibus“ übertragen – also mit allen Zubehörstücken, Nutzungsrechten und herrschaftlichen Gerechtsamen. Diese werden nicht abstrakt erwähnt, sondern systematisch in den Anschlag einbezogen und kapitalisiert.

Folgende Rechte und Anlagen wurden konkret bewertet:

  • Jus patronatus – das Patronatsrecht über die Dorfkirche: 100 Taler
  • Niedere und hohe Gerichtsbarkeit – zivil- und strafrechtliche Kompetenzen: je 100 Taler
  • Jagdrecht – umfassende Nutzungsrechte im Revier: 100 Taler
  • Braugerechtigkeit inkl. Schweinenutzung – ein zentrales ökonomisches Privileg: 2500 Taler
  • Teiche und Wasseranlagen – inkl. Kuhteich, großer und kleiner Teiche sowie Hausgraben: 800 Taler

Diese Kapitalisierung vormals symbolischer Rechte dokumentiert eine tiefgreifende Umwertung adliger Herrschaftspraktiken. Während im Mittelalter Rechte wie die Gerichtsbarkeit oder das Patronat primär status- oder herrschaftsbegründend waren, erscheinen sie im 18. Jahrhundert zunehmend als ökonomisch verwertbare Ressourcen – integriert in die Rentabilitätskalkulation eines Gutes.

Die hohe Bewertung der Braugerechtigkeit verweist zudem auf die enge Verzahnung von grundherrlicher Ordnung und lokaler Wirtschaftsstruktur. In der Altmark war das Braurecht eng mit der Getreideproduktion, dem Schweinemastrecht und der örtlichen Versorgung verbunden. Der angesetzte Wert von 2500 Talern stellt eine der größten Einzelpositionen des gesamten Anschlags dar.

Die explizite monetäre Erfassung dieser Rechte zeigt, dass Herrschaft nicht mehr nur als personale Macht verstanden wurde, sondern zunehmend als Rechtsbündel mit Ertragswert. Diese Entwicklung steht im Zusammenhang mit der Staatwerdung Brandenburg-Preußens, in deren Zuge adlige Rechte quantifizierbar, kontrollierbar und übertragbar gemacht wurden.

Insgesamt stellt der Passus „cum pertinentibus“ nicht bloß eine juristische Floskel dar, sondern verweist auf einen tiefgreifenden ökonomischen Strukturwandel. Der Erbkauf dokumentiert diesen Wandel in Form einer Verrechtlichung und Ökonomisierung vormals herrschaftlicher Privilegien – ein Prozess, der exemplarisch für die Transformation frühneuzeitlicher Gutswirtschaft steht.

Steuer- und Abgabenstruktur

Die im Anschlag von 1734 dokumentierte Einnahmestruktur des Ritterguts Angern offenbart ein komplexes Nebeneinander von geldlichen und naturalen Abgaben, wie sie typisch für den Übergang von feudaler zu frühkapitalistischer Gutswirtschaft war. Die Einnahmen aus Abgaben gliedern sich dabei in mehrere Kategorien:

Naturalabgaben (Kornpacht):

  • Roggen, Gerste und Hafer wurden teils nach „kleinem Maß“, teils nach „großem Maß“ taxiert und monetär kapitalisiert. Beispiel: 3 Wispel 11 Scheffel Roggen à 34 Taler 14 Groschen → 692 Taler.
  • Die Windmühle lieferte 12 Scheffel Roggen á 3 Taler = 100 Taler.

Geldrenten und Dienste:

  • So z. B. 20 Taler 18 Groschen „von den Untertanen“ sowie 9 Taler sog. „Cavillerzins“ (wohl eine Form lokaler Umlage oder Dienstgeld).

Federzinsen:

  • Abgaben in Hühnern und Gänsen: 127 Stück aus Angern (140 Taler 9 Groschen), 12 Stück aus Wenddorf, 6 Gänse, u. a.

Besondere Pachten und Einzelposten:

  • 1 Taler 6 Groschen für „3 Scheffel Acker zur Castellmühle gehörig“.
  • 2 Scheffel Roggen aus Bülitz à 20 Groschen.

Diese Struktur zeigt, dass das Rittergut nicht allein durch Eigenwirtschaft, sondern in erheblichem Maße durch systematisch erhobene Abgaben der abhängigen Bevölkerung getragen wurde. Auffällig ist die Vielzahl kleinräumig organisierter Einzelverhältnisse (z. B. einzelne Scheffel aus Bülitz), die auf eine historisch gewachsene Fragmentierung von Abgabenrechten hinweisen. Die Mischung aus monetarisierten Kornlieferungen, tierischer Naturalien und Gelddiensten erlaubt Rückschlüsse auf:

  • den Grad der Marktintegration des Gutes (Kornverkäufe offenbar einkalkuliert),
  • die Abgabenlast der bäuerlichen Bevölkerung (differenziert nach Ort, Status, Maßsystem),
  • sowie die Funktion des Gutsherrn als fiskalischer Knotenpunkt zwischen lokalen Produzenten und überregionalen Märkten.

Auch in ihrer buchhalterischen Form – mit Umrechnung von Kornmengen in Talerwerte – verdeutlichen die Abgaben eine Rationalisierung des Gutsbetriebs. Die Fähigkeit, Korn, Tiere und Zinsen in kapitalisierte Summen zu fassen, war Voraussetzung für den Erbkauf und die Berechnung der Ausgleichszahlungen. Damit bilden die Abgaben nicht nur ein ökonomisches Fundament, sondern auch ein legitimatorisches Element innerhalb des Vertragswerks.

Infrastruktur und Wirtschaftsgebäude

Der Anschlag von 1734 dokumentiert nicht nur die natürlichen Erträge und Rechte, sondern auch den Zustand und Wert der technischen Infrastruktur des Gutsbetriebs. Besonders auffällig ist die Bewertung landwirtschaftlicher Geräte, Wagen, Zugtiere und Hofausstattung, die detailliert nach Einzelobjekten und Zubehör gelistet wird. So wurden unter anderem folgende Gegenstände erfasst:

  • „Der große Wagen mit allem Zubehör“: 24 Taler
  • „Der zweite Wagen mit allem Zubehör“: 16 Taler
  • „Zwei Blockwagen“: 10 Taler
  • „Vier Pflüge mit Schar, Kolter und Geschirr“: 12 Taler 16 Groschen
  • „Acht Eggen mit eisernen Zinken“: 5 Taler
  • „Sieben Stück Mistgabeln und zwei Misthaken“: 20 Groschen
  • „Feuerleitern“: 3 Taler
  • „Ein Schlitten“: 2 Taler
  • „Ein Sattel, Seile und Zäume“: 4 Taler 16 Groschen

Diese Angaben erlauben nicht nur eine Bewertung der Ausstattung, sondern auch Rückschlüsse auf die technologische Ausstattung und betriebliche Organisation. Das Vorhandensein mehrerer Pflüge und Eggen deutet auf parzellenweise Bestellung und arbeitsteilige Nutzung des Ackers hin. Die Kombination von Mistgabeln, Hebewerkzeugen und Schlitten spricht für einen wirtschaftlich aktiven Wirtschaftshof mit regelmäßiger Dungwirtschaft und Transportaktivität. Die geringen Einzelwerte legen nahe, dass das Gerät größtenteils älteren Datums oder von einfacher Machart war. Dennoch bildet die Summe dieser Ausstattungen ein funktionierendes System, das im Ganzen eine mittlere Gutswirtschaft von über 1000 Morgen Fläche effizient bewirtschaften konnte.

Auch die Kombination von Blockwagen und Reitgeschirr verweist auf Mehrzwecknutzung: für Feldarbeit, Transportdienste, eventuell auch Reisen oder Kommunikation mit benachbarten Gütern. Die Feuerleitern und Eggen mit Eisenzinken zeigen eine Übergangsphase zwischen vormoderner Agrartechnik und zunehmend spezialisierten Werkzeugen.

Der Gesamtwert der Infrastruktur wurde in der Anschlagsrechnung mit 89 Talern 3 Groschen ausgewiesen – ein vergleichsweise geringer Betrag gegenüber den Erträgen oder Viehbeständen, aber ein unverzichtbarer Teil des funktionierenden Betriebs. Insofern steht die technische Ausstattung beispielhaft für die minutiöse Einbindung von Sachwerten in die ökonomische Gesamtkalkulation des Guts, wie sie in der Frühaufklärung zunehmend üblich wurde.

Sozioökonomische Struktur des Gutsbetriebes

Der im Anschlag von 1734 enthaltene Dienst- und Abgabenplan erlaubt eine differenzierte Rekonstruktion der sozialen Hierarchie und ökonomischen Einbindung der ländlichen Bevölkerung auf dem Rittergut Angern. Die dort verzeichneten Sozialkategorien – Halbspänner, Kossaten, kleine Kossaten, Freie und Vorhöfer – repräsentieren typische Statusgruppen der altmärkischen Gutswirtschaft im 18. Jahrhundert. Jeder dieser Gruppen wurde ein jährlicher Dienstwert in Talern zugeschrieben, der den ökonomischen Beitrag zur Grundherrschaft quantifizierte. Die Struktur im Einzelnen:

  • 7 Halbspänner à 12 Taler → 1680 Taler
  • 5 Kossaten à 8 Taler → 800 Taler
  • 13 kleine Kossaten à 4 Taler → 1020 Taler
  • 7 Freie à 4 Taler → 560 Taler
  • 22 Vorhöfer à 4 Taler → 1760 Taler

Damit ergibt sich eine differenzierte Sozialpyramide, in der Halbspänner als relativ wohlhabende Bauern mit Gespannarbeit fungieren, während Vorhöfer und kleine Kossaten das untere Ende der dörflichen Ordnung markieren. Die Einbeziehung dieser Gruppen in die Anschlagsliste belegt, dass ihre Dienstpflichten nicht nur als herrschaftliche Ansprüche, sondern explizit als ökonomische Ressourcen verstanden und kapitalisiert wurden. Die Tatsache, dass auch die Dienste aus Wenddorf – einem benachbarten, offenbar dem Gut zugehörigen Dorf – separat aufgelistet und bewertet wurden, zeigt die räumliche Ausdehnung des Gutsbetriebs über die Dorfgrenzen hinaus. So z. B.:

  • 4 Halbspänner aus Wenddorf: 980 Taler
  • 7 Kossaten: 320 Taler
  • 1 kleiner Kossat: 70 Taler

Die Gewichtung der einzelnen Gruppen lässt erkennen, dass das Rittergut nicht auf Eigenwirtschaft im engeren Sinne beschränkt war, sondern maßgeblich von der Dienstleistung und Abgabenleistung der untertanen Bevölkerung getragen wurde. Diese Struktur steht exemplarisch für die persistente Integration vormoderner Abhängigkeitsverhältnisse in ein zunehmend rationalisiertes Wirtschaftsmodell.

Vergleich mit parallelen Gutsverkäufen

Der Erbkauf von Angern im Jahr 1734 lässt sich im regionalen Kontext als gut dokumentierter Sonderfall einordnen. Ein Vergleich mit anderen Gutsverkäufen oder Erbregelungen im mittleren Elbegebiet, insbesondere in der Altmark und im Magdeburger Raum, offenbart mehrere strukturelle Besonderheiten:

  1. Vollständigkeit der Bewertung: Während viele vergleichbare Kaufprotokolle – etwa aus Beetzendorf, Kalbe oder Weteritz – oft nur summarische Angaben zu Hufen, Teichen oder Inventar enthalten, liegt für Angern eine hochgradig ausdifferenzierte Bewertung vor, inklusive Stücklisten für Geräte, Vieh, Naturalabgaben und herrschaftliche Rechte. Dies spricht für eine fortgeschrittene Verwaltungskultur und ein höheres Maß an Buchführung.
  2. Bewertung der Braugerechtigkeit: Die mit 2500 Talern angesetzte Braugerechtigkeit stellt im Vergleich eine außergewöhnlich hohe Einzelposition dar. Bei anderen Gütern wurde dieses Recht – sofern es überhaupt separat aufgeführt wurde – meist mit unter 1000 Talern taxiert. Dies weist auf die ökonomische und symbolische Sonderstellung Angerns in der regionalen Versorgungsökonomie hin.
  3. Rolle familiärer Erhaltung und Agnatenkauf: In der Altmark ist zwar der Grundsatz der familiären Konsolidierung durch Agnatenkauf verbreitet, doch selten so konsequent und schriftlich dokumentiert wie in Angern. Die bewusste Ausschaltung eines Miterben (Levin Friedrich), die Rolle der Witwe als Randfigur sowie die Finanzierung durch innerfamiliäre Kredite heben den Vorgang aus dem regionalen Durchschnitt hervor.
  4. Methodik der Tierbewertung: Die trilaterale Viehschätzung – mit der Mittelwertbildung aus drei Gutachtern – ist bislang nur vereinzelt für adlige Inventare der Altmark nachgewiesen. In Beetzendorf etwa sind in vergleichbaren Jahren nur Einzelpreise belegt. Die Methodik in Angern zeigt daher eine besondere Sorgfalt und rechtliche Absicherung, vermutlich zur Vermeidung innerfamiliärer Streitigkeiten.

Insgesamt zeigt sich, dass der Angerner Erbkaufvertrag ein ausgesprochen elaboriertes und für seine Zeit ungewöhnlich modernes Dokument darstellt. Er steht beispielhaft für einen Übergang vom tradierten Lehnsrecht zur schriftlich rationalisierten Gutswirtschaft, eingebettet in ein familiäres Machtsystem mit ökonomischer Weitsicht.

Bewertung von Gebäuden und Wasseranlagen

In der Anschlagsliste von 1734 werden die „Gebäude“ mit einem pauschalen Wert von 2000 Talern angesetzt – ohne nähere Unterteilung oder Beschreibung der baulichen Substanz. Dieser Betrag ist für ein Rittergut mittlerer Größe typisch, fällt jedoch im Verhältnis zu den übrigen Einzelposten – etwa der Braugerechtigkeit (2500 Taler) oder der gesamten Tierbewertung – als konservativ bemessen auf.

Die Wasseranlagen (Kuhteich, großer Teich, zwei kleine Teiche, Hausgraben) wurden zusammen mit 800 Talernbewertet, was ihren funktionalen und wirtschaftlichen Nutzen unterstreicht. Teiche dienten nicht nur der Viehtränke und Fischwirtschaft, sondern hatten auch symbolisch-repräsentativen und strategischen Wert, insbesondere in wasserumwehrten Anlagen wie Angern.

Aus bautechnischer Sicht bleibt unklar, ob die Gebäude dem damaligen Standard genügten oder bereits Modernisierungsbedarf aufwiesen. Die Bewertung erfolgte offenbar summarisch auf Grundlage eines Gesamtwerts, der sich am Ertragswert des Gutes orientierte – nicht an Bausubstanz, Wohnqualität oder architektonischem Zustand. Dies legt nahe, dass die Gebäude vor allem als wirtschaftliche Funktionseinheiten verstanden wurden (Scheunen, Ställe, Speicher), nicht als adlige Repräsentationsräume. Die niedrige Bewertung gegenüber anderen Komponenten lässt vermuten, dass entweder die Gebäude zu diesem Zeitpunkt nicht im besten baulichen Zustand waren, oder bewusst niedrig taxiert wurden, um die Ausgleichssumme für Miterben zu reduzieren.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nach 1738 unter Christoph Daniel von der Schulenburg erhebliche Investitionen in die Gebäude erfolgten – insbesondere der barocke Umbau. Dies könnte als Indikator dafür gewertet werden, dass der Anschlag von 1734 eine reale Unterbewertung enthielt, die später gezielt durch Bautätigkeit kompensiert wurde.

Die Bewertung der Teiche verweist zudem auf die wirtschaftliche Einbindung des Ritterguts in die Fischerei- und Teichwirtschaft. Ihre Aufnahme in den Anschlag ist nicht selbstverständlich – bei vielen Gütern dieser Zeit werden Wasseranlagen nur beiläufig erwähnt. Ihre explizite Nennung in Angern zeigt, dass sie als eigenständige Vermögenswerte betrachtet wurden.

Verwaltungstechnische Übergangsformen

Der Erbkaufvertrag von 1734 mitsamt den zugehörigen Anschlägen, Zahlungslisten, Quittungen und Bevollmächtigungen dokumentiert exemplarisch den Übergang von personaler Verwaltung hin zu schriftbasierter Gutsadministration im 18. Jahrhundert. Wo früher mündliche Absprachen und symbolische Handlungen dominierten (z. B. Handschlag, Übergabe von Objekten), tritt nun eine ausgeprägte schriftliche Rationalität zutage.mBesonders auffällig ist:

  • die strenge Formalisierung der Besitzübertragung,
  • die numerische Durchstrukturierung sämtlicher Ressourcen (von Ackererträgen über Zinsleistungen bis zu Federzinsen),
  • die Vielzahl an juristischen Nebenakten (Bevollmächtigungen, Mandate, Vergleichslisten),
  • sowie die sachlich-neutrale Sprache des Vertragswerks, das kaum narrative oder symbolische Elemente enthält.

Die Akten legen nahe, dass der Gutsbetrieb unter Christoph Daniel von der Schulenburg auf eine moderne, rechnungsbasierte Führung umgestellt wurde. Die Fähigkeit, Werte exakt zu beziffern, Ressourcen zu kategorisieren und vertraglich zu fixieren, steht am Beginn eines neuen Verständnisses von Gutswirtschaft: nicht mehr nur feudale Herrschaftsausübung, sondern ökonomisch planbares Unternehmen. Auch im Vergleich mit zeitgleichen Dokumenten anderer Güter sticht Angern durch seine Buchführungstiefe und Verwaltungsstruktur hervor. Die Einbeziehung von Federzinsen, Fischteichen, Gebäudewerten und Gerätschaften in eine bilanzähnliche Übersicht verweist auf eine Bürokratisierung, die nicht allein auf Effizienz, sondern auch auf Rechtssicherheit und innerfamiliäre Transparenz abzielte.

Insofern markiert der Vorgang eine Schwelle zwischen spätfeudaler Hauswirtschaft und frühaufklärerischer Gutsverwaltung. Die Schriftlichkeit selbst wird dabei zum Herrschaftsinstrument – sie garantiert Kontinuität, Berechenbarkeit und Rechtsbeständigkeit in einem sich wandelnden wirtschaftlichen und sozialen Umfeld.

Nachwirkung in der archivalischen Überlieferung

Nachwirkung in der archivalischen Überlieferung: Der Erbkaufvertrag von 1734 stellt nicht nur ein zentrales juristisches Dokument dar, sondern ist zugleich Ausgangspunkt einer dichten archivalischen Überlieferung, die sich in den folgenden Jahrzehnten kontinuierlich fortschreibt. Im Gutsarchiv Angern (Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Magdeburg, Rep. H Angern) lässt sich eine klare Linie von Quellen nachzeichnen, die den Besitzübergang, die Schuldenregulierung, die kreditgestützte Finanzierung und die anschließenden Bauprojekte betreffen. Direkt auf den Vertrag folgen etwa:

  • die Zahlungs- und Verrechnungslisten von 1734–1736 (z. B. Rep. H Nr. 409, Bl. 10 ff.), in denen auch die Kreditvergaben von Tresckow dokumentiert sind,
  • eine umfangreiche Schuldenbilanz mit Auflistung von Gläubigern, darunter auch die eigene Familie,
  • die Korrespondenz mit Handwerkern, Lieferanten und Gläubigern im Kontext der Neugestaltung des Guts nach 1738,
  • das große Inventar von 1752 (Rep. H Nr. 76), das erstmals das barocke Interieur nach der baulichen Umgestaltung unter Christoph Daniel beschreibt.

Die Nachwirkung zeigt sich dabei nicht nur in Form der bloßen Erwähnung des Erbkaufs, sondern in der Verrechtlichung und Dokumentation des Besitzübergangs als dauerhafter Ordnungspunkt innerhalb der Gutsführung. Es scheint, als sei dieser Akt zur Gründungszäsur eines neuen Verwaltungsregimes geworden, das nun auf Schriftlichkeit, Buchführung und Rechtssicherheit setzte – eine Entwicklung, die der modernen Verwaltungsrationalität des späten 18. Jahrhunderts vorgreift. 

Der Vertrag bildet somit einen archivalisch hochverdichteten Knotenpunkt im Bestand Rep. H Angern, von dem aus sich ein ganzes Netz aus Folgeakten, Zahlungsanweisungen und baulichen Maßnahmen entfaltet. Diese Überlieferung ist nicht nur für die Besitzgeschichte zentral, sondern erlaubt exemplarische Einblicke in adlige Transformationsprozesse zwischen barocker Statussicherung und aufkommender Verwaltungspraxis.

Fazit

Der Erbkaufvertrag von 1734 über das Rittergut Angern ist mehr als ein juristisches Dokument. Er dokumentiert den konfliktgeladenen Übergang zwischen dynastischer Verpflichtung und ökonomischem Realismus. Die vertragliche Sicherung des Familienbesitzes durch einen einzelnen Agnaten, die Verflechtung von rechtlicher und verwandtschaftlicher Vertretung sowie die Rolle informeller Kreditnetze machen diesen Fall zu einem exemplarischen Zeugnis adliger Überlebensstrategien im 18. Jahrhundert.

Die Tatsache, dass ein Mitglied der Familie von Tresckow nicht nur als Bevollmächtigter, sondern auch als Kreditgeber auftrat, zeigt deutlich, wie stark verwandtschaftliche Loyalität, wirtschaftliche Interessen und standesethische Solidarität im adeligen Handeln verwoben waren. Der Vertrag von 1734 steht damit für eine in der Forschung oft unterschätzte Praxis: die familiengestützte Selbstregulierung adliger Ökonomie.

Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg im Sommer 1631 durch den Einfall des Holk'schen Regiments – blieben das Erdgeschoss es Palas und der Turm mit mehreren Etagen sowie auch die Tonnengewölbe neben dem Turm erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste laut Quellenbefund drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Baupolitik, Raumordnung und Repräsentation auf dem Rittergut Angern um 1734 – Eine Analyse des "Pro Memoria" Christoph Daniel von der Schulenburg im Kontext vergleichbarer Gutsherrschaften. Das Gutsarchiv Angern überliefert mit 31-Punkte umfassenden "Pro Memoria" von 1734 (Rep. H Angern Nr. 409) ein einzigartiges Zeugnis adliger Planungspraxis im 18. Jahrhundert. Christoph Daniel von der Schulenburg, königlich sardischer General und Besitzer des Ritterguts Angern, skizziert darin die umfassende Neugestaltung seiner Besitzung. Das Dokument gewährt Einblick in eine administrative Rationalisierung, ästhetisch-repräsentative Raumgestaltung und die materiellen wie sozialen Strukturen eines barocken Gutes. Im Folgenden wird dieses Bauprogramm analysiert und mit zeitgleichen Gutsherrschaften in Brandenburg-Preußen und Norddeutschland verglichen.
Finanzielle Lasten und Investitionsprioritäten beim Schlossbau in Angern – Eine Analyse der Ausgabenbilanz von 1737. Die Ausgabenbilanz vom 24. Mai 1737 stellt ein aufschlussreiches Dokument über die ökonomischen Rahmenbedingungen und Prioritätensetzungen während der frühen Phase des barocken Schlossbaus in Angern dar. Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg , der damalige Besitzer des Ritterguts, ließ die Anlage ab 1735 unter erheblichen finanziellen Aufwendungen neu errichten. Die Bilanz verzeichnet zwischen 1735 und Mai 1737 Gesamtausgaben in Höhe von 22.026 Talern, 16 Silbergroschen und 8 Pfennig , von denen 9.100 Taler explizit als baugebundene Ausgaben ausgewiesen sind.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.