Das Geschlecht derer von der Schulenburg ist eines der ältesten Adelsgeschlechter Deutschlands, dessen Wurzeln bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen.
Ein Raum zwischen Gewalt und Vernunft. Wenn man das Kabinett Christoph Daniel von der Schulenburg betritt – so wie es das Inventar von 1752 beschreibt –, betritt man keinen bloßen Lagerraum für Waffen. Man betritt eine Zone der Verdichtung: eine Sphäre, in der Waffen und Bücher nicht getrennt, sondern miteinander verwoben existieren. Es ist ein Ort, an dem zwei scheinbar gegensätzliche Systeme – das der Gewalt und das der Vernunft – in eine produktive Spannung treten. Diese räumliche und semantische Verbindung macht das Kabinett zu einem der faszinierendsten Räume des Schlosses Angern: ein Archiv des tätigen Geistes.
Vom Gebrauch zur Bedeutung in der Sammlung Christoph Daniel von der Schulenburg. Im Zentrum jeder Waffensammlung des Adels im 18. Jahrhundert steht eine ambivalente Bewegung: Der Übergang der Waffe von einem funktionalen Instrument hin zu einem Repräsentationsobjekt. Diese Transformation ist kein bloßer Alterungsprozess oder materieller Verschleiß, sondern Ausdruck eines kulturellen Wandels – eines Verschiebens der Bedeutung von Handlung zu Erzählung. In der Sammlung von Christoph Daniel von der Schulenburg ist diese Transformation besonders deutlich zu beobachten. Sie verläuft nicht zufällig, sondern lässt sich als bewusste Ordnung erkennen, in der das Biografische und das Symbolische untrennbar miteinander verschränkt sind.
Christoph Daniel von der Schulenburg und die europäische Kultur des Waffen-Sammelns im 18. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert entwickelt sich innerhalb der europäischen Adelskultur eine hochdifferenzierte Praxis des Sammelns, die weit über das bloße Anhäufen von Objekten hinausgeht. Sie ist Ausdruck eines kulturellen Selbstverständnisses, in dem Besitz, Wissen und Repräsentation zu einer Einheit verschmelzen. Waffen – einst Werkzeuge der Fehde oder Jagd – werden in diesem Kontext zu Symbolen des Rangs, der Bildung und der Weltläufigkeit.
Inventar als Spiegel einer geordneten Biografie. Das Inventar der Waffensammlung Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg aus dem Jahr 1752 wirkt auf den ersten Blick wie eine nüchterne Auflistung – doch seine Struktur verrät weit mehr als bloße Aufzählung. Die Art und Weise, wie die Objekte innerhalb des Gewehrschranks und Kabinetts aufgelistet sind, spiegelt nicht nur Schulenburgs Besitzverhältnisse, sondern seine Werte, Prioritäten und sein Selbstverständnis als General, Gutsbesitzer und Grandseigneur. Die Ordnung folgt keiner alphabetischen, farblichen oder geografischen Logik, sondern einer semantisch-rhetorischen Dramaturgie, die sich lesen lässt wie ein stilles Selbstporträt – in Eisen und Ornament.
Zwischen den grünen Damasttapeten seines Kabinetts, den vergoldeten Hirschfängern, den verzierten Flinten aus Pistoria und dem sardinischen Pulverhorn ruhen auch jene Waffen, die Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit selbst im Feld geführt hat. Sie sind weniger prachtvoll als andere, unscheinbarer in der Beschreibung, aber gerade dadurch umso aussagekräftiger: Es sind die Werkzeuge eines Mannes, der auf den Schlachtfeldern des Piemont stand, in sardischen Diensten kommandierte und seinen Rang nicht allein im Schreibzimmer errang.
Von der Haubitze zur Historie – die 24 Cäsaren im Kabinett Christoph Daniels. Im Anschluss an die Waffensammlung, die Jagdutensilien und Reisegegenstände vermerkt das Inventar von 1752 eine kleine, beinahe unscheinbare Schachtel, die sich bei näherer Betrachtung als ideell bedeutsam erweist. Dort heißt es:
ferner sind noch in einer Schachtel die 12 ersten Cesars mit ihren Gemahlinnen, in allem 24 Stück vertable Antiquen (24 pieces des Antiques represent les 12 Cesars et les 12 Cesarines).
Es handelt sich dabei um 24 Miniaturen – möglicherweise aus Terrakotta, Wachs, Metall, Porzellan oder bemaltem Holz –, die jeweils einen der zwölf ersten römischen Kaiser von Augustus bis Domitian und ihre Ehefrauen darstellen. Der französische Titel „vertable Antiquen“ verweist vermutlich auf die Bezeichnung „véritables antiques“, also „echte Altertümer“ oder wirklich antike Figuren – eine Zuschreibung, die sich in barocken Kunstkammern oft auf imitierte oder idealisierte Repliken bezog.
Symbole des Dienstes, Trophäen der Erinnerung. Inmitten der Jagdwaffen, Prunkpistolen und exotischen Klingen seiner Sammlung verzeichnet das Inventar von 1752 auch ein Stück, das sich durch seinen unmittelbar kriegerischen Charakter deutlich abhebt: eine „Haubitze zu Grenaden“. In einem ansonsten vom Ornament und vom höfischen Stilwillen geprägten Ensemble nimmt dieses Geschütz eine Sonderstellung ein – es verweist auf das eigentliche Handwerk Christoph Daniel von der Schulenburgs: den Krieg.