Das Geschlecht derer von der Schulenburg ist eines der ältesten Adelsgeschlechter Deutschlands, dessen Wurzeln bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen.
Von der Haubitze zur Historie – die 24 Cäsaren im Kabinett Christoph Daniels. Im Anschluss an die Waffensammlung, die Jagdutensilien und Reisegegenstände vermerkt das Inventar von 1752 eine kleine, beinahe unscheinbare Schachtel, die sich bei näherer Betrachtung als ideell bedeutsam erweist. Dort heißt es:
ferner sind noch in einer Schachtel die 12 ersten Cesars mit ihren Gemahlinnen, in allem 24 Stück vertable Antiquen (24 pieces des Antiques represent les 12 Cesars et les 12 Cesarines).
Es handelt sich dabei um 24 Miniaturen – möglicherweise aus Terrakotta, Wachs, Metall, Porzellan oder bemaltem Holz –, die jeweils einen der zwölf ersten römischen Kaiser von Augustus bis Domitian und ihre Ehefrauen darstellen. Der französische Titel „vertable Antiquen“ verweist vermutlich auf die Bezeichnung „véritables antiques“, also „echte Altertümer“ oder wirklich antike Figuren – eine Zuschreibung, die sich in barocken Kunstkammern oft auf imitierte oder idealisierte Repliken bezog.
Symbole des Dienstes, Trophäen der Erinnerung. Inmitten der Jagdwaffen, Prunkpistolen und exotischen Klingen seiner Sammlung verzeichnet das Inventar von 1752 auch ein Stück, das sich durch seinen unmittelbar kriegerischen Charakter deutlich abhebt: eine „Haubitze zu Grenaden“. In einem ansonsten vom Ornament und vom höfischen Stilwillen geprägten Ensemble nimmt dieses Geschütz eine Sonderstellung ein – es verweist auf das eigentliche Handwerk Christoph Daniel von der Schulenburgs: den Krieg.
Stand, Stil und Symbol in einer Epoche der Verfeinerung. Der Besitz von Waffen im 18. Jahrhundert war mehr als eine Frage der Funktion – er war eine Aussage über Rang, Bildung, politisches Selbstverständnis und kulturelle Zugehörigkeit. Besonders im Zeitalter des Rokoko, das etwa von 1720 bis 1780 die Formen höfischen Lebens durchdrang, erhielt der Waffenbesitz neue Dimensionen: Er wurde zum Teil einer ästhetischen Lebensführung, die Gewalt nicht verleugnete, sondern verfeinerte.
Das Kabinett Christoph Daniels zwischen Krieg, Kunst und Kultur. Wer das „zweite Kabinett“ des Schlosses Angern im Jahr 1752 betritt, begegnet nicht bloß einer Sammlung von Waffen – er betritt ein räumlich verdichtetes Selbstporträt. Die dort gelisteten Gewehre, Pistolen, Säbel, Degen, Messer, Sättel und Accessoires formen ein geschlossenes Symbolsystem, das den Lebensentwurf eines sardischen Generals in metallene, hölzerne und textile Sprache übersetzt. Das Inventar dokumentiert dabei nicht nur Besitz, sondern Bedeutung – jede Waffe erzählt eine Geschichte, nicht allein über Herkunft und Funktion, sondern über das Verhältnis des Adligen zur Welt.
Die Blankwaffen und exotischen Stücke Christoph Daniels als Zeichen von Macht, Bildung und Weltbezug
Analyse: Der sogenannte türkische Säbel verweist auf eine Waffe des osmanischen Kulturraums, vermutlich ein Kilij oder ein Yatagan. Diese Klingen zeichnen sich durch ihre geschwungene Form und oft reich verzierte Griffe aus – vielfach aus Horn, Elfenbein oder mit Edelmetallen eingelegt.
Kontext: Im 18. Jahrhundert galt der Besitz eines türkischen Säbels als Ausdruck eines interkulturellen Trophäenkults. Derartige Waffen fanden ihren Weg auf Schlachtfeldern, durch Geschenke osmanischer Gesandter oder als diplomatische Gegengaben in die Sammlungen europäischer Höfe (vgl. Gisela Prochazka-Eisl: Der Orient in der habsburgischen Waffenkammer, Wien 2006). Bei Christoph Daniel dürfte der Säbel entweder auf seine savoyisch-sardischen Militärkontakte zurückgehen – etwa durch osmanische Allianzen oder Beutestücke – oder er war Teil eines diplomatischen Transfers. Seine Position im Kabinett verweist auf eine Symbolik zwischen Fremdheit und Faszination, Feldherr und Sammler.
Repräsentation, Diplomatie und Kunsthandwerk im Kleinstformat. Die im Inventar von 1752 überlieferten Pistolenpaare aus dem Besitz des sardischen Generals Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg stellen ein besonderes Segment seiner Waffensammlung dar. Sie sind nicht nur militärische oder jagdliche Gebrauchsgegenstände, sondern emblematische Objekte adliger Kultur im 18. Jahrhundert: technisch raffiniert, handwerklich kunstvoll und symbolisch hoch aufgeladen.
Die schlichte Nennung einer „Jagdtasche“ lässt zunächst wenig vermuten. Doch im Kontext barocker Repräsentation war die Jagdtasche mehr als ein Utensil zur Mitnahme von Pulver, Kugeln oder Werkzeugen: Sie war ein emblematisches Element der Jagdkleidung, ausgestattet mit gestickten Wappen, geprägtem Leder, teilweise mit Silberbeschlägen.
Ein Beitrag zur Sammlung des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg in Angern (1752). In einem mit grün und schwarz marmorierter Wachsleinwand tapezierten Kabinett des Schlosses Angern, das 1752 als „zweites Kabinett“ oder „Polterkammer“ im Inventar erscheint, befindet sich eine bemerkenswerte Ansammlung von Schuss- und Blankwaffen . Dieses Ensemble reflektiert nicht nur den militärischen Werdegang seines Besitzers, sondern ist zugleich Ausdruck einer typischen adligen Sammelkultur im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus.
Das Gutsarchiv Angern bewahrt als einzigartiges Quellenensemble die wirtschaftliche, soziale und administrative Geschichte des Ritterguts über mehrere Jahrhunderte hinweg – vom barocken Kammergut bis zur Auflösung nach 1945.
Das Tagebuch von Sigurd Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg aus dem Jahr 1945 dokumentiert mit persönlicher Eindringlichkeit den Zusammenbruch der alten Ordnung, das Kriegsende in Angern und den Beginn eines Lebens im sowjetischen Exil.
Christoph Daniel von der Schulenburg (1679–1763) war ein hochrangiger Offizier in sardischen Diensten, der als Gutsherr von Angern nicht nur militärische Disziplin, sondern auch ökonomischen Weitblick und barocke Repräsentationskultur in seine Baupolitik einfließen ließ.
Christoph Daniel baute eine bedeutende Waffensammlung auf, die sich durch ihren historischen und repräsentativen Charakter auszeichnete und bis heute als Ausdruck seines militärischen Standesbewusstseins und seines kunstsinnigen Sammelinteresses gilt.
Die Bibliothek des preußischen Generalfeldmarschalls Christoph Daniel von der Schulenburg im Schloss Angern war ein strategisch kuratierter Bildungskanon, der militärisches Wissen, politische Theorie und moralphilosophische Reflexion zum intellektuellen Fundament adeliger Selbstvergewisserung im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus verband.
Das Garderobeninventar des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg von 1752 ist ein einzigartiges Zeugnis barocker Besitz- und Ordnungskultur im mitteldeutschen Adel, das durch seine außergewöhnliche Detailliertheit nicht nur die materielle Lebenswelt eines hochrangigen Offiziers dokumentiert, sondern zugleich den Übergang von höfischer Repräsentation zu aufgeklärter Rationalität sichtbar macht und vielfältige Einblicke in die sozialen, kulturellen und funktionalen Strukturen adeliger Lebensführung bietet.